Halbseidene Lebensmittel und amphibische Stilblüten

betr.: schlechter Stil

Was aus Kindermund drollig herüberkommt, ist im Journalismus mindestens im selben Maße schmerzhaft.
Ich bin immer ein wenig beleidigt, wenn sich verzeihliche Stilblüten im Sprachgebrauch festsetzen – nicht so drolliges (erwachsenes) Zeug wie „Hier werden Sie geholfen!“ oder „Ich habe fertig!“, sondern eher verschleppte Unrichtigkeiten.
Immer häufiger höre ich in seriösen Radiobeiträgen die gruselige Formulierung: „Er traut dem Braten nicht“.
Die Ausgangs-Redewendung „den Braten riechen“ ist eine uralte, aber noch immer anschauliche Umschreibung für „es wird etwas geahnt („ruchbar“), was eigentlich verheimlicht werden sollte“. Diese wurde ganz offensichtlich zu einer Zeit formuliert, da die Menschen im deutschen Sprachraum nicht genug zu essen hatten.
Mit eingeflossen ist eine andere Redensart: „dem Frieden nicht trauen.“ In diesem Sprachbild ist der Frieden allerdings nicht der mögliche Übeltäter (der das Misstrauen erregt), sondern der Gegenstand, von dem man hofft, ihn in Sicherheit zu wissen.

„Dem Braten nicht trauen“ ist nicht nur semantischer Blödsinn (der scheinheilige Braten bereitet sich ja nicht selbst zu, woraufhin er sogleich verräterisch zu duften beginnt), es führt auch inhaltlich in die Irre. Wollte man diese Wortwahl ernst nehmen, würde sie bedeuten: „da ist jemand nicht glaubwürdig“ und nicht „es wird geahnt, was eigentlich verheimlicht werden sollte“.
Liebe Schlussredaktion: bitte eingreifen!

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