Blödelbarden

Eine Lanze für den Begriff und das, was er bezeichnet

Die Blödelbarden waren der musikalische Flügel der in den 70er Jahren blühenden westdeutschen Humorlandschaft. Diese wiederum hatte einen ernsten Zweig – das politische Kabarett – und eine Nonsensabteilung, die ihren Lacherfolg ausdrücklich ohne Botschaft zu erzielen suchte. Auch das (Kabarett-)Chanson blühte in diesem Jahrzehnt so sehr wie seit den hochpolitischen 20er Jahren nicht mehr (und seither nicht wieder). Und auch hier war der musikalische Nonsens eine ganz eigene und farbenfrohe Spielart. Sogar die Fans des gestrengen Reinhard Mey hatten in dessen Anfängen eine große Schnittmenge mit den Liebhabern des blühenden Blödsinns und liebten seine komischen Arbeiten wie „Antrag auf Erteilung“ oder „Ich bin Klempner von Beruf“ (deren gesellschaftspolitische Trefflichkeit auch den puren Blödlern nicht völlig abging).

Die Bezeichnung „Blödelbarden“ ist Jahre später von den beteiligten Künstlern (die erfolgreichsten waren ausschließlich Männer) abgelehnt worden. Ihre Hauptvertreter haben sich später alle dagegen verwahrt: Ulrich Roski, Schobert & Black, Ingo Insterburg („Insterburg & Co.“).
Das ist zu respektieren, doch ich möchte diesen Begriff verteidigen und als großer Verehrer dieser Sparte gern weiterhin benutzen. Zunächst weil es für ihn keine gleichbedeutende gebräuchliche Alternative gibt; der Begriff „Liedermacher“ meint etwas anderes (und wird überdies von vielen Aktiven ebenfalls abgelehnt). Und außerdem weil das „Blödeln“ in diesem Falle kein Schimpfwort ist, sondern das Bestreben dieser musikalischen Entertainer benennt, sich vom teilweise heiligen (und zuweilen überaus  unkomischen) Ernst der politischen Kabarettisten und Protestsänger abzusetzen.

Es sei noch daran erinnert, dass fast alle ehrwürdigen darstellenden Kunstformen im Volksmund auch in geflügelten Beleidigungen verwendet wurden („Quatsch keine Opern!“, „Mach kein Theater!“, „Was ist das für ein Zirkus hier?“) – lediglich der Barde nicht (mit dem ja sogar das hochverehrte Ausnahmegenie Shakespeare unausgesprochen bezeichnet wird). In solchen Verschimpfwortungen drückt sich das uralte Misstrauen des Kleinbürgers gegenüber dem Künstlervolk aus, womit sich gewiss auch ein Karl Dall nicht hätte gemeinmachen wollen. Und schließlich ist der irritierende Impuls ja genuiner Bestandteil der Komik.
Ich bitte also um sprachpolizeiliche Nachsicht.

Als die Liedermacher Anfang der 80er Jahre aus der volkstümlichen Popularität in die Nische hinübergingen, endete auch das Phänomen der Blödelbarden. Nonsens-Schlager kamen jetzt nur noch sporadisch auf und wurden Kollegen geliefert, die hauptberuflich einer anderen Humorfarbe nachgingen (etwa Dieter Hallervorden und Rudi Carrell), von Künstlern, bei denen Wort und Musik gleichrangig waren (Mike Krüger) oder von den wenigen letzten Vertretern („Torfrock“) des reinen musikalischen Nonsens.

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