betr.: 35. Todestag von Paul Albert Krumm
Wollte man den Schauspieler Paul Albert Krumm der heutigen Netzgemeinde nahebringen, gäbe es ein paar launige Einträge. So ist er z.B. der Mann, der jedesmal links im Bild zu sehen ist, wenn das beliebte Standfoto der ersten „Tatort“-Folge „Taxi nach Leipzig“ gedruckt bzw. aufgerufen wird. Rechts steht Kommissar Trimmel (Walter Richter) und hebt die Hände – bezeichnenderweise ein müdes, unbeeindrucktes Gesicht machend. Natürlich war Krumm in der Deutschen liebster Krimiserie später nochmals dabei, ebenso bei „Der Kommissar“, „Derrick“, „Der Alte“ (Ehrensache!) sowie den Dreiteilern „Babeck“ (bedeutend unter TV-Nostalgikern) und „Verräter“ (vergessen, aber wirklich großartig*).
Paul Albert Krumm wirkte über knapp zwei Jahrzehnte hinweg praktisch in all seinen Rollen so verraten und verhärmt, so anämisch und verzagt, dass ich irgendwann begann, mich um ihn zu sorgen. Selbst wer begriffen hat, dass es sehr wandlungsfähige Schauspieler gibt, den konnte bei diesem durchgehend an sich und der Welt leidenden Individuum ein ungutes Gefühl überkommen, besonders wenn es seine brüchige Stimme vernehmen ließ.
Seinen Auftritt als Graf Dracula in dem politisch unterspickten Horrorfilm „Jonathan“ hätte ich zu gern gesehen.
Im hochinformativen Fanbuch „Der Kommissar – Die Serie und ihre Folgen“ (für die stark erweiterte Neuauflage von 2003 praktisch neu verfasst, aber von gleichbleibend unleserlicher Geschwätzigkeit) wird mein Verdacht bestätigt. Im Portrait des Schauspielers ist die Rede von neun Stimmbandoperationen, dem tragischen Tod seiner Verlobten und dem Leben „in kleinen, dunklen Kellerräumen in Berlin-Dahlem, dann zog es ihn ans Licht: Zunächst nach Mallorca, dann übersiedelte er an die Costa del Silentio von Teneriffa. Des milden Klimas wegen (…) Eine rätselhafte Herzerkrankung hatte ihn im Herbst 1971 (…) ereilt, Klinik- und Kuraufenthalte brachten nur wenig Besserung.“ Teneriffa auch nicht. Die Dame, die ihn in den Süden begleitete, kam später zu dem Ergebnis: „Krumm wird immer kränker, weil er seine Krankheit liebt und sie braucht.“
Jahrelang war der Schauspieler „ohne Einkommen“ – in seiner Filmographie sind die 70er Jahre unbespielt. Private Spender ermöglichten ihm eine Rückkehr in die Bundesrepublik und ein vorübergehendes zweites Exil in Madeira. 1981 gab er dem „Stern“ ein erschütterndes Interview („Ich habe wie ein Irrer [gegen die Krankheit] angestrampelt , ich habe mich gewehrt und habe gelitten, um Hilfe geschrien, ich habe geglaubt, ich halte das nicht aus, ich sterbe – und dann habe ich mich gewundert, was man alles aushält.“) und stand wieder vor der Kamera.
Zum vorletzten Mal sah ich Paul Albert Krumm, als ihn der große Kommissar Schimanski am Ende der Episode „Miriam“ von seiner eigenen Party abholte. Er trugs mit Fassung: „Sind doch sowieso alles Langweiler!“ tröstete er sich und ließ sich widerstandslos festnehmen. Im folgenden Jahr gab er bei den Berliner Kollegen noch ein Gastspiel als Obdachloser. Hier wirkte er ausnahmsweise fatalistisch-vergnügt.
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* Siehe dazu https://blog.montyarnold.com/2017/03/14/die-schoensten-filme-die-ich-kenne-18-verraeter/