Kultfilm Azubis (5): Junge und Apparat

In der aktuellen Folge unseres Podcasts sprechen wir über zwei Filme, in denen Halbwüchsige sich mit sehr mächtigen Androiden anfreunden.

https://alle42kultfilme.letscast.fm/episode/terminator-2-der-gigant-aus-dem-all

A) Terminator 2 – Tag der Abrechnung / Terminator 2 – Judgement Day
Amerikanischer Science-Fiction- und Actionfilm von 1991

Intelligente Maschinen haben sich mit der Menschheit einen Atomkrieg geliefert und die Macht übernommen. In rauchenden Ruinen leisten die Rebellen um John Connor letzten Widerstand. Um diesen charismatischen Anführer auszuschalten, wird der Flüssigkristall-Droide T-1000 – ein Gestaltwandler – aus dem Jahr 2029 in das Los Angeles unserer Gegenwart, die frühen 90er, gesandt. Er soll Connor schon im Kindesalter ausschalten. Das umgepolte Auslaufmodell T-800 wird hinterhergeschickt, um ihm beizustehen.
In den Kampf wird auch Johns Mutter Sarah verwickelt, die sich seit Teil 1 zu einer Elitekämpferin entwickelt hat, nun aber in der Klapsmühle sitzt weil sie zu eindringlich vor dem Krieg der Maschinen gewarnt hat … 

Terminator 2 bricht mit mehreren Naturgesetzen des kommerziellen Kinos: als einziger Actionfilm begeisterte er Mainstream und Kulturkritik gleichermaßen. Er bestand den Test Of Time besser als der Rest des Genres und ist einer der seltenen zweiten Teile, die noch besser sind als ihr Vorgänger. Der selbstironische Bodybuilder Arnold Schwarzenegger wurde damit zu einem der versiertesten Schauspieler des Unterhaltungskinos.

B) Der Gigant aus dem All / The Iron Giant
Amerikanischer Science-Fiction-Animationsfilm von 1999

1957 befinden sich die USA im Kalten Krieg. Dessen Nebenschauplatz ist der Wettlauf ins All, bei dem die Sowjets durch ihren Satelliten Sputnik gerade die Nase vorn haben.
Im neuenglischen Hafenstädtchen Rockwell wünscht sich der kleine Hogarth ein Haustier, was seine Mutter ihm ausschlägt. Dieser Wunsch erfüllt sich im Übermaß, als Hogarth einen 15 Meter hohen Kampf-Droiden aus dem Weltraum – er sieht wirklich zum Fürchten aus – dabei erwischt, wie er im Wald das örtliche Elektrizitätswerk anknabbert. Nachdem er den Riesen vor einem gewaltigen Stromschlag gerettet hat, will er ihn auch behalten. Nun muss er ihn nicht nur vor seiner Mutter und den anderen Erwachsenen verstecken, sondern auch vor einem Regierungsbeamten, der eine russische Geheimwaffe in der ländlichen Idylle vermutet. Der nette Schrotthändler und Schrott-Künstler Dean ist der einzige, den Hogarth ins Vertrauen zieht. Doch auch er kann den erbarmungslosen Lauf der Dinge nicht aufhalten …

Diese märchenhafte Parabel ist besinnlich, ohne uns belehren zu wollen, rührend, ohne gleich rührselig zu werden, und ein Grund, den Umstand zu bedauern, dass Animationsfilme nicht länger Zeichentrickfilme sind.

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3 Antworten zu Kultfilm Azubis (5): Junge und Apparat

  1. Hans-Bernhard Barth sagt:

    Lieber Monty,
    das Schöne an — wie Du sie nennst — nichtlinearen Medien ist ja, dass sie gewissermaßen darauf warten, „abgeholt“ zu werden, sobald mensch sie (idealerweise, jedenfalls) mit Muße zu goutieren bereit ist: Ich jedenfalls ziehe mir Euren Podcast häppchenweise rein wann immer gerade Zeit ist. Und das muss nicht immer zeitnah zum Erscheinen einer Folge sein…

    Deswegen erst jetzt:
    Begeisterung!!! Schon in Folge 5 der „Azubis“ tauchte als Pyramid Folly einer der fast sang- und klanglos untergegangenen Spät-Zeichentrickfilme aus den 90ern auf, der auch auf meiner ganz persönlichen Kultfilm-Liste einen festen Platz hält!

    Ehe ich gleich ein bisschen eigenen Senf an „Der Gigant aus dem All“ tue,will ich mich aber unbedingt erstmal bei Euch, Monty und Torben, für den ebenso informativen wie unterhaltsamen und liebevoll gemachten „Kultfilme“-Podcast bedanken, den Ihr (mit hörbarem Vergnügen) nun schon in der zweiten Staffel fabriziert und unter Leute bringt, denen so etwas gerade gefehlt hat (sic!).

    Das Internet, so zeigt Euer Podcast (wie auch sein „Mutterschiff“ The St. George Herald ;-D), enthält zwar eine Menge Schund, doch der Rest hat es mitunter ganz schön in sich… — Also, wie gerade schon gesagt: Begeisterung! Und Dank. Und dass Ihr noch lange Spaß an Eurer kleinen Nebentätigkeit habt, zu Nutz und Frommen von uns bisweilen noch selbst denkendem Publikum hier draußen.

    Und damit zum angekündigten „Senf“, und zwar in drei Töpfchen:

    (1) Die beseelte, vernunftbegabte Waffe

    „Der Gigant aus dem All“ hat als Film eine leicht verworrene längere Vorgeschichte:
    1968 in Großbritannien als von Ted Hughes verfasstes Kinderbuch „The Iron Man“ erschienen (aus Urheberrechtsgründen musste der Titel für den US-Markt zu „The Iron Giant“ geändert werden), hat den Stoff Mitte der 80er Jahre Pete Townshend (von The Who!) zu einem Konzeptalbum / einer „Rockoper“ in der Art von „Tommy“ adaptiert. Ende der 80er / Anfang der 90er entstand davon in London eine Bühnenfassung. Deren Produzent erkannte die Filmtauglichkeit des Kerns der Geschichte, woraufhin Townshend die Filmrechte an Warner Bros. weitervertickte (weshalb er im Filmvorspann auch als Executive Producer auftaucht).

    Warner Bros., die im Gefolge der kommerziell erfolgreichen Disney-Zeichentrickmusicals der späten 80er / frühen 90er Jahre (wieder) auf den Zeichentrickfilm-Zug aufgesprungen waren (in den 40ern und 50ern erwarben ihnen ihre Looney Tunes und Merrie Melodies bereits bleibenden Filmruhm), hatten 1996 mit Ted Turners Fernseh- und Unterhaltungsimperium fusioniert (so eine Art Leo Kirch auf US-amerikanisch, oder eigentlich eher anders herum), was den seinerzeit für Turners Zeichentricksparte Turner Animations tätigen Brad Bird, später Co-Autor und Regisseur von „Der Gigant aus dem All“, zu Warner Animations brachte. Dort wurde Bird angeboten, im Austausch für sein bei Turner bearbeitetes, infolge der Fusion gestrichenes Filmprojekt eines von Warners in Entwicklung befindlichen Projekten zu übernehmen.

    Aus mehreren bei Warner auf Halde liegenden Filmstoffen wählte Bird denjenigen von „Der Gigant aus dem All“, behielt aus Hughes‘ Buchvorlage das Grundmotiv des kleinen Jungen als späterem Freund des von irgendwoher aufgetauchten Giganten, und außerdem dessen Fähigkeit zur Selbstreparatur/ Selbstheilung. Freundschaft und (Selbst-)Heilung waren Kernthemen von Hughes‘ ursprünglich für seine beiden kleinen Töchter erdachten Trostgeschichte gewesen — die drei hatten den Freitod ihrer Mutter und Ehefrau zu verwinden.
    Bird ließ den Giganten aber sichtbar aus dem Weltall stammen, verlegte die Handlung an die US-Nordostküste Ende der 50er Jahre zu Zeiten von Sputnik, und schrieb die zweite Hälfte der Geschichte vollständig um, indem er dem Giganten einen Hintergrund gab, aus dem sich der — wie Ihr im Podcast richtig erkennt — teilweise E.T.-verwandte weitere Fortgang der Handlung entwickeln ließ. Auch Bird hatte zu jener Zeit nämlich einen persönlichen Verlust zu verwinden: Seine Schwester war just einem häuslichen Gewaltverbrechen mit USA-üblichem Schusswaffengebrauch zum Opfer gefallen, und ihrem Trauerarbeit leistenden hinterbliebenen Bruder kam der Gedanke „What if a gun had a soul and didn’t want to be a gun?“ So wurde der Gigant bei Bird zur außerirdischen Kampfmaschine, die bei ihrer Bruchlandung auf der Erde ihr Gedächtnis verloren hat und mit Hilfe des kleinen Jungen und unter dessen Anleitung noch einmal ganz von vorn beginnt.

    Dieses Filmszenario präsentierte Brad Bird der Leitung von Warner Bros., erhielt das OK von ganz oben (sowie im weiteren Verlauf der Produktion mehrmals persönliche Fürsprache von dort) — obwohl oder gerade weil es sich so ganz und gar nicht um ein Standard- Zeichentrickmusical handelte.
    Gemeinsam mit dem erfahrenen Tim McCanlies erarbeitete Bird ein Drehbuch, in dem sich aus dem Rahmen der End-50er Jahre mit ihrer Kalter-Krieg-Paranoia und Atomangst der Fortgang der Handlung speist mit innerem und äußerem Konflikt, tragischem Höhepunkt und verhalten angedeuteten Happyend („You can’t kill E.T. and then not bring him back!“). Diese vom ursprünglichen Kinderbuch doch weit abweichende Filmhandlung fand übrigens auch ziemlich begeisterte Zustimmung beim Ur-Autor Ted Hughes.

    Ab Frühjahr 1997 machte sich Bird bei Warner Animations, wo er kein eingespieltes Trickteam, sondern viele Einzeltalente vorfand, an die Filmproduktion. Ungewöhnlicherweise ließ die Chefetage von Warner Bros. Bird so ziemlich jede kreative, organisatorische und administrative Freiheit (abgesehen von einem relativ engen Finanz- und Terminkorsett), denn inzwischen hatte Warner Animations mit typischen, auf klassische Disney-Weise produzierten Musicals eine ganze Reihe von teuren Misserfolgen eingefahren, und das Top-Management war in Grabenkämpfen mit seinen Investoren um die weitere Zukunft der Trickfilmabteilung vollauf anderweitig beschäftigt. (Am Ende sollte es, ganz raubtierkapitalistisch, darauf hinauslaufen, dass Warner zwecks Verlusteingrenzung seine Trickfilmsparte abwickelte; und „Der Gigant aus dem All“ wurde zum sprichwörtlichen Letzten, der dort das Licht ausmachte…)
    Der Gigant flog also über die ganzen knapp zweieinhalb Jahre seiner Produktionszeit stets quasi unter dem Radar der Firmenleitung.

    Eine der bewundernswerten Leistungen Birds — übrigens bei seinem ersten Langfilm fürs große Kino — bestand darin, aus der ziemlich disparaten Ansammlung von „zusammengeheuertem“ Talent bei Warner Animations endlich ein eingeschworenes Team zu formen und hinter seinem Projekt zu versammeln: Dass „Der Gigant aus dem All“ letztlich eine genuine Teamleistung ist, bei der das Team nicht bloß „Werkzeug“ eines Diktator-Regisseurs war, sondern mitdenkendes und mitgestaltendes Präzisionsinstrument, merkt man dem Film, finde ich, an allen Ecken und Enden an. Anders wäre der aufoktroyierte ehrgeizige Finanz- und Zeitrahmen („… one-third of the money of a Disney or DreamWorks film, and half of the production schedule“) auch gar nicht zu halten gewesen! Viele Handlungs- und Erzähldetails von „Der Gigant aus dem All“ wurden erst bei laufender Produktion, gewissermaßen schon im freien Flug, gemeinsam entwickelt, und Unterteams, zusammengemischt aus unterschiedlich erfahrenen Mitarbeiter/inne/n, waren eigenverantwortlich für die Herstellung kompletter Handlungssequenzen zuständig (im Gegensatz zu der schwerfälligen und kontrollintensiven klassisch-disneyschen Herangehensweise von getrennter Einzelfigurenanimation, Interaktion der Figuren, Hintergrund- / Kulissen- / Requisitengestaltung und Bildführung).

    (2) Ein „altmodischer“ Zeichentrickfilm?

    Altmodisch — oder weniger polemisch ausgedrückt — dem traditionellen Zeichentrick verhaftet ist „Der Gigant aus dem All“ in erster Linie darin, dass er konsequent in 2D arbeitet (und auch in seiner jüngsten Re-Edition für DVD / BluRay der kommerziellen Versuchung widerstand, das „Produkt“ nachträglich auf 3D aufzublasen, wie das bei einigen älteren Disney/Pixar-Filmen schon vorgekommen ist). Hinsichtlich Bildsprache und Kameraführung hingegen, die deutlich dem „Realfilm“ verpflichtet sind (diagonale Bildanschnitte, über mehrere Handlungsträger „springende“ Kamera, die den Fortgang der Szenen auch optisch „treibt“, handlungsunterstützend gewählte — z.T. extreme — Kamerastandpunkte etc.) befindet sich „Der Gigant aus dem All“ nämlich durchaus auf der Höhe der Zeit. Und auch wichtige Handlungsbestandteile wie die ganz selbstverständlich alleinerziehende Mutter, oder der unaufdringlich „nicht-kommisskopfige“, selbst und skeptisch-kritisch denkende General als zweiter Antagonist des paranoid-verantwortungslosen Spezialagenten Kent Mansley, stehen quer zu der oftmals komikbetonten Betulichkeit von Zeichentrickfilmen alter Schule — das habt Ihr ja im Podcast auch sehr schön herausgearbeitet.
    In seiner konsequenten 2D-Orientierung nutzt „Der Gigant aus dem All“ übrigens ebenso konsequent (und z.T. sehr eindrucksvoll) alle zur Entstehungszeit verfügbaren Möglichkeiten der Computeranimation, und versteckt dies auch keineswegs, ohne zuzulassen, dass diese „Technik“ sich in den Vordergrund mogelt (wie das Disney z.B. in den Massenszenen von „Der König der Löwen“ — ich nenne den gern etwas bösartig „Der Reichsparteitag der Savanne“ — immer wieder passiert): Mir fallen dazu beispielsweise sofort das Einsatzfahrzeug des Spezialagenten Mansley und sein Schicksal als Gigantenfutter, die Bewegungsaufnahmen des Giganten, oder die Start- und Flugsequenzen der F-86-Staffel der Marineflieger im Dritten Akt ein. Und im Produktionshintergrund haben ganz frühe Versionen von inzwischen gängiger Software wohl schon ganz erheblich bei der Planung der bereits erwähnten beweglichen Kameraführung geholfen.
    Andererseits ist „Der Gigant aus dem All“ aber auch sehr bewusst traditioneller Zeichentrickfilm, wahrnehmbar in der Wahl seiner wunderbar grafischen, stimmungserzeugenden Stilmittel. In einer der Schlüsselsequenzen des Films, als dem Giganten sein kleiner Menschenfreund in einfachen Worten das Konzept der Seele nahebringt, gibt es zudem ganz nebenbei eine elegante Verbeugung vor einem der großen Disney-Zeichentrickklassiker, „Bambi“…

    (3) Der Kassenflop

    Dass „Der Gigant aus dem All“ bei seiner Erstaufführung 1999 an den Kinokassen fast sang- und klanglos untergegangen ist, war m.E. dreierlei geschuldet:

    – Der Film wurde später als ursprünglich angestrebt, dann aber überstürzt veröffentlicht und geriet bei Erscheinen (August 1999 in den USA, Dezember desselben Jahres bei uns) unter direkten Konkurrenzdruck durch Blockbuster wie Disneys „Tarzan“, „American Beauty“ oder „Wild Wild West“: „There ain’t enough room in this cinema for all of us, Stranger!“

    – Wegen seines holprigen „fliegenden“ Starts erhielt der Film auch so gut wie keine vorauslaufende Werbekampagne und zunächst auch kein nennenswertes Merchandising. Auf einem umkämpften Markt ist so etwas ein nicht zu unterschätzender Nachteil! Zur ausnahmsweisen Ehrenrettung der Filmkritikerzunft sei übrigens gesagt, dass, wer immer den Film tatsächlich sah (und das waren nur wenige, aber immerhin namhafte und einflussreiche Schreibende), augenblicklich anhob, Loblieder auf ihn zu verfassen und Propaganda für ihn zu machen: Ein Feuilletonartikel bzw. genauer eine Lobeshymne in der L.A. Times war sogar sinngemäß betitelt „OK, Leute, hier bin ich — wo, verdammt nochmal, bleibt ihr bloß alle?!“ Aber im Filmgeschäft gehört Klappern in besonderen Maße zum Handwerk, und wenn halt nicht geklappert wird, hat Qualität es schwer, sich im Markt durchzusetzen, und dann reicht es am Ende nur zum Kultfilm-Status…
    (Ich selber bekam „Der Gigant aus dem All“ erst Jahre nach der Erstaufführung durch Verkettung mehrerer Zufälle endlich als Wiederaufführung und ausgerechnet bei der Film-AG (!) meiner alten Uni (!!) zu Gesicht, nachdem er mir 1999 im Kino völlig entgangen war. Zuerst auf ihn aufmerksam geworden war ich seinerzeit über den Umweg, dass er u.a. einen BAFTA- und verschiedene internationale SF-Preise eingeheimst hatte.)

    – Wie oben bereits angedeutet, war Warner Bros. im Interesse des allgewaltigen Shareholder Value quasi produktionsbegleitend zu „Der Gigant aus dem All“ dabei, seine verlustbringende Zeichentricksparte abzuwickeln. Ursprünglich war daher vorgesehen, die Produktion des Giganten planmäßig abzuschließen und den fertigen Film dann solange auf Halde zu legen, bis sich ein geeigneter Veröffentlichungstermin im Warner Bros.-Repertoire eröffnete. Dies führte dazu, dass vor allem die Werbeabteilung von Warner Bros. ihre Ressourcen gänzlich auf andere Filmprojekte konzentrierte („Wild Wild West“ wäre hier besonders zu nennen); man kann sogar so weit gehen zu sagen, die hatten „Der Gigant aus dem All“ überhaupt nicht mehr / noch gar nicht wieder auf dem Schirm!
    Als der fertig geschnittene Film ab April 1999 in Testaufführungen beim Publikum wieder und wieder atemberaubende Zustimmungsraten erzielte, war das Management von Warner Bros. von der Aussicht auf einen potentiellen künstlerischen wie kommerziellen Erfolg dermaßen überrumpelt, dass der Gedanke an ein auf-Eis-legen ganz schnell verworfen war und im Gegenteil nun auf Biegen und Brechen eine Veröffentlichung noch rechtzeitig zum Sommerferiengeschäft anstand. Damit war nun die Werbeabteilung völlig überfordert, und es fehlte insbesondere der wenigstens etwa einjährige Vorlauf, der für eine ausgewachsene Werbe- und Marketingkampagne erforderlich ist. Brad Bord erzählte anekdotisch, dass für den Filmstart damals genau ein (!!!) Plakatentwurf verfügbar gewesen sei! „Der Gigant aus dem All“ kam also im August 1999 in die US-Kinos, ohne dass die breite Öffentlichkeit auf ihn vorbereitet gewesen wäre.
    Zur Ehrenrettung von Warner Bros. muss aber auch gesagt werden, dass dem Management sein „Terminfehler“ spätestens am Eröffnungswochenende klar wurde, als die erhofften Massen auszubleiben begannen, und man für den ausländischen Kinostart (zum Weihnachtsgeschäft 1999) sowie zur rasch nachgeschobenen Veröffentlichung für den Heimkino-Markt Anfang 2000 dann klassisch-marketingmäßig noch möglichst viel zu reparieren versuchte. Aber das war eher gut gemeint — und gut gemeint ist bekanntlich das Gegenteil von gut…

    Soweit also mein Senf.
    Und nun zum Schluss noch ein kleiner Nörgler, den ich mir einfach nicht verkneifen kann, weil da der Ingenieur (wieder) mit mir durchgeht:

    In Eurer Inhaltsangabe sprecht Ihr davon, dass der metallhungrige Gigant nächtens das örtliche Elektrizitätswerk von Rockwell ME anknabbert. Später, als der Junge den Giganten durch Betätigen des außen am Gebäude angebrachten Not-AUS-Schalters vor einem kapitalen Stromschlag rettet, bezeichnet Ihr dieses Detail sinngemäß als frei erfundenen naiven Kalauer in Anspielung auf ähnliche Effekte in Warner Bros.‘ früheren Looney Tunes.

    Mitnichten! — und zwar beide Male:

    Was der Gigant da anknabbert, ist kein Kraftwerk mit Generatoren drin, sondern ein Umspannwerk, in welchem hochgespannter Strom aus Überlandleitungen (die deutlich gezeigt und deren Masten vom Giganten ebenfalls angefressen werden) für die regionale Verteilung im örtlichen Mittelspannungsnetz heruntertransformiert und über eine Freiluft-Schaltanlage in selbiges eingespeist wird. Die charakteristischen Portalmasten dieser Schaltanlage werden im Film ebenfalls ausführlich gezeigt, und sie sind es auch, die der Gigant anknabbert, was ihm beinahe zum Verhängnis wird. Die Trafos, die mit zu der Anlage gehören, hat man zum Wetterschutz früher gerne eingehaust (so auch, periodengerecht, hier im Film), heutzutage stehen diese für gewöhnlich ebenfalls im Freien.
    Zum Schutz der Schaltanlage wie von evtl. erforderlichem technischem Hilfspersonal (so ein Trafo oder Ölschalter kann kurzschließen, explodieren und/oder Feuer fangen, dann muss z.B. die Feuerwehr da dran kommen ohne die Gefahr, gleich elektrokutiert zu werden) gibt es dort, außen angebracht und relativ frei zugänglich, Notschalter, mit denen die Anlage hochspannungsseitig vom Netz getrennt werden kann.
    Brad Bird, der durchaus ein detailverliebter Technikfreak ist und dies auch in seine Filme einbringt, brauchte einen solchen Schalter also nicht um des Gags willen zu erfinden. Er hat nur die Gelegenheit nicht verstreichen lassen, den Schalter als Reminiszenz an klassische Warner Bros.-Slapstick-Cartoons plakativ als optischen Gag zu inszenieren. Und den wiederum habt Ihr ja auch ganz richtig erkannt… 😉

    So, und damit Schluss jetzt — nix für ungut, danke nochmal, und
    sorry for this (very) long post.

    P.S.: Auch mich täte Eure Abspann-Musik brennend interessieren. Klingt irgendwie pythonesk (aber bei denen haben m.W. nie Diseusen/Chanteusen mitgemacht, oder?!)

    • montyarnold sagt:

      Herzlichen Dank, das ist ein Feedback wie nicht jeder Podcast bekommt.
      Nur eine kleine Selbstverteidigung zu der Looney-Tunes-Bemerkung: der Gag mit dem Hauptschalter funktioniert so gut, weil er einen wahren Kern hat. Und er ist sogar dann witzig, wenn man (wie ich) das darin verborgene Hintergrundwissen gar nicht hat.

    • montyarnold sagt:

      … und unsere Abspannmusik ist die Eiscremefahrt aus „Modesty Blaise“, einer Sixites-Agentenkomödie nach dem gleichnamigen Bond-parodierenden Comic. Es singen Terence Stamp als Willie und Monica Vitti als Modesty.

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