Kultfilm Azubis (8): Dicke Luft in der Wildnis

In der heutigen Folge des Podcasts geht es um zwei Männer mit großen Plänen, die sich an einen entlegenen Ort zurückziehen, um gottgleiche Macht an sich zu reißen:

https://alle42kultfilme.letscast.fm/episode/apocalypse-now-der-mann-der-koenig-sein-wollte

A) Apocalypse Now
Vietnam-Kriegsfilm von 1979

Captain Willard erhält von seiner Stabsstelle den Auftrag, in den Wirren des Vietnamkriegs nach Colonel Kurtz zu suchen, einem Elitekrieger, der eines Tages im Dschungel Kambodschas untertauchte und – offenbar verrückt geworden – ein Terrorregime errichtet hat. Für die US-Army ist er außerdem ein Sicherheitsrisiko. Willards Eintauchen in den Urwald wird zu einem Trip in die eigenen Abgründe und zur sprichwörtlichen Reise ins Herz der Finsternis.

Ungeachtet seines Ruhmes, seines Erfolges und dem Prädikat, der wichtigste aller Vietnam-Filme und ein Meisterwerk des Kinos zu sein, wird immer wieder punktuelle Kritik an Apocalypse Now geübt, der sehr freien und doch treffenden Verfilmung einer Erzählung von Joseph Conrad. Auch sein Regisseur Francis Ford Coppola hat die Welt immer wieder irritiert: mit der immensen Kluft zwischen schimmernden Ruhmestaten – wie Der Pate 1 und 2 – und Murks – wie One From The Heart, Megalopolis oder Der Pate III.

B) Der Mann, der König sein wollte / The Man Who Would Be King
Amerikanische Literaturverfilmung von 1975

Indien 1882: als Beschmutzer der Ehre ihrer Krone sollen die abgemusterten britischen Soldaten Danny Dravot und Peachy Carnehan eigentlich in den Knast. Doch die Fürsprache eines Logenbruders ermöglicht es ihnen, ins ferne Kafiristan zu ziehen, um ihr Glück zu machen. Dort, wo man seit Alexander dem Großen keinen Weißen mehr zu Gesicht bekommen hat, schlummern sagenhafte Reichtümer.
Am Ziel einer strapaziösen Reise helfen die fröhlichen Taugenichtse dem Bürgermeister eines Bergdorfes beim Kampf gegen die benachbarte Stadt, und durch einen Zufall gerät Danny dabei in den Ruf der Unsterblichkeit. Man erklärt ihn zum Gott und krönt ihn zum König.
Peachy möchte am liebsten so schnell wie möglich die Reichtümer zusammenraffen, die man ihnen nun zu Füßen legt, und in die Heimat zurückreisen. Doch Danny hat längst Gefallen an der Verehrung gefunden, die ihm entgegenschlägt, und träumt davon, ein Großreich zu gründen. Er überredet Peachy, noch zu bleiben, bis er eine schöne Eingeborene geehelicht hat. Ein fataler Fehler …

Der Erstling von Regisseur John Huston war der Film-Noir-Klassiker „Die Spur des Falken“ – wir behandelten wir in unserer ersten Staffel „Alle 42 Kultfilme“. Für ein knappes halbes Jahrhundert blieb er eine der respektiertesten und gefeiertesten Persönlichkeiten des US-Kinos und bespielte souverän alle dramatischen Genres.

Dieser Beitrag wurde unter Film, Podcast abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu Kultfilm Azubis (8): Dicke Luft in der Wildnis

  1. Hans-Bernhard Barth sagt:

    Lieber Monty,
    lieber Torben,

    Folge 8 Eurer Kultfilm-Azubis hat es schon wieder geschafft, mich mit dem „Pyramid Frolic“ in helle Begeisterung zu stürzen, denn Ihr habt erneut einen Film aus meiner ganz persönlichen Einsame-Insel-Liste erwischt. In den unsterblichen Worten von Kermit gesprochen: Applaus, Applaus, Applaus! (Stellt Euch dazu ruhig auch den charakteristischen Ausflipper des kleinen grünen Conferenciers vor…😉)

    In den alten, im Rückblick stark vergoldungsgefährdeten Tagen des noch-nicht-Spartenradios, die für mich persönlich mit Untersekunda ff. zusammenfielen, war SWF3 mein Leib- und Magensender, oder — genauer gesagt — für meine Psychohygiene unverzichtbar: Dort als einziges „Radio“ lief nämlich öfter als bloß gelegentlich für mich erträgliche Musik, und abends gab es sogar interessante Hintergrundsendungen (was ARTE mit seinen Themenabenden später im Fernsehen tat, begann SWF3 im Radio); zudem übertrug man auch gelegentlich unter der Rubrik „Pop Shop unterwegs“ selbst ausgerichtete (!) Live-Konzerte interessanter Bands.
    Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre wurde dieser Sender nach und nach „erwachsen“, d.h. er begann in Stereo zu senden, dehnte seine Programmzeit allmählich von zunächst mittags bis zehn Uhr abends auf später 5 Uhr früh bis Mitternacht aus, und ab dem flächendeckenden Ausbau seiner Senderkette wurde von 1987 an rund um die Uhr Programm gemacht.

    Eine feststehende Rubrik in SWF3s zweistündigem aktuellem Mittagsmagazin waren freitags „Peter W. Jansens Spielfilmtipps fürs Wochenende“, in denen das Spielfilmangebot der öffentlich-rechtlichen (und später der ersten privaten) Fernsehsender gesichtet und empfohlen wurde. — Es muss in irgendeinem „Sommerloch“ zwischen 1979 und 1983 gewesen sein, dass ARD oder ZDF als Zweit- oder Drittverwertung den damals noch verhältnismäßig neuen Abenteuerfilm „Der Mann der König sein wollte“ zur besten Abendsendezeit präsentierten, im Vorfeld von Peter W. Jansen heftigst empfohlen. Klang irgendwie interessant…
    Ich weiß nicht mehr wie es mir gelang, an dem betreffenden Abend die Kontrolle über unseren Familienfernseher zu übernehmen — jedenfalls konnte ich den Film tatsächlich ungestört von Anfang bis Ende anzuschauen… und war völlig hin und weg von der dichten Atmosphäre und der besonderen Ausstrahlung des Streifens!
    Ein paar Jahre später lief der Film in der Film-AG meiner Uni, und bei diesem unverhofften Wiedersehen fiel mir dann auf, wie sauber die Geschichte gebaut und inszeniert ist.
    Noch ein paar Jahre später, inzwischen war VHS-Video allgemein erschwinglich geworden, wurde „The Man Who Would Be King“ bei einem Studienaufenthalt in Großbritannien eine der ersten Kaufkassetten, die ich erwarb. Dass ich also eine ausgesprochene Schwäche für diesen Film von John Huston hätte, ist wahrscheinlich eine der Untertreibungen des Jahrhunderts😂 — dabei weiß ich mit klassischen Abenteuerfilmen doch eigentlich gar nicht so viel anzufangen…

    Deshalb kann ich mich jetzt auch nur schwer zurückhalten, hier schon wieder ein bisschen Hintergrundsenf zu Eurem „Pyramid Frolic“ beizutragen. Da ich Euren Podcast komplett nichtlinear höre, ist es diesmal wirklich ‚moutarde après le dîner‘ — ich hoffe, Ihr sehr mir’s nach, und seid nicht allzu sehr genervt.

    In seiner Autobiografie „What’s It All About?“ von 1992 (seither mehrfach überarbeitet und unter veränderten Titeln neu aufgelegt, denn auf seine alten Tage hob seine Filmschauspieler-Karriere noch einmal so richtig ab und es gab nun mehr und anderes zu berichten) erzählt Michael Caine, der im Film den überlebenden und somit die Rahmenhandlung zusammenhaltenden Peachy Carnehan verkörpert, ausführlich über die Dreharbeiten und die Vorgeschichte des Streifens:

    – Caine zufolge war ‚Der Mann, der König sein wollte‘ ein erklärtes Lieblingsprojekt seines Regisseurs John Huston, der über ein Vierteljahrhundert lang immer wieder versucht hatte, den Film zustandezubringen: Beim ersten Anlauf ab 1956, noch innerhalb des alten Hollywood-Studiosystems (damals für die Hauptrollen vorgesehen — das hattet Ihr ja auch im Podcast erwähnt —: Humphrey Bogart und Clark Gable) starb Huston in der Vorproduktionsphase überraschend sein Hauptdarsteller und Freund „Bogey“ weg. Während der 60er versuchte Huston es erneut, jetzt mit Burt Lancaster und Kirk Douglas für die Rollen der beiden glorreichen Halunken, bekam im kriselnden Hollywood am Ende des Studiosystems die Finanzierung aber nicht mehr zusammen. Ein weiterer Anlauf wurde in den frühen 70ern unternommen; nun sollte Hollywoods bereits mehrfach erprobtes neuestes Galgenstrick-Paar Paul Newman und Robert Redford die unabhängige Finanzierung einer freien Produktion sichern helfen. Die Beiden gaben Huston wegen anderweitiger Engagements zwar einen Korb, aber Redford machte dem Amerikaner Huston auch seine Bedenken deutlich — in einem Film nach einem Stoff des Briten Kipling, spielend vor dem Hintergrund der britischen Kolonialherrschaft in Indien und Umgebung, die Hauptrollen der beiden abtrünnigen britischen Kolonialsoldaten ausgerechnet mit amerikanischen Schauspielern zu besetzen. Angeblich habe Redford Huston beiläufig auch schon auf die potentiell geeigneten Michael Caine und Sean Connery aufmerksam gemacht.

    – Huston, der in Vorproduktionsgeschäften in Paris zu tun hatte, sprach Caine, der mit seiner Frau Shakira Baksh just ein verlängertes Wochenende* in seiner erklärten Lieblingsstadt verbrachte, bei einem spontanen gemeinsamen Frühstück auf eine Mitwirkung in dem geplanten Film an: Caine hatte nach eigenen Worten schon länger unbedingt mal unter Huston drehen wollen und sagte begeistert zu — umso mehr, da als sein Filmpartner sein guter Freund Sean Connery ins Auge gefasst war, und er selber diejenige Rolle bekäme, die ursprünglich einmal sein Idol Humphrey Bogart hätte spielen sollen! Da machte es auch wenig aus, dass aufgrund der Absage von Newman und Redford einige Geldgeber wieder abgesprungen waren und der Film nun mit schmälerem Budget überwiegend an Schauplätzen in Europa (Frankreich) und Nordafrika (ehemals Französisch-Marokko) abgedreht werden musste, und gagenmäßig für die Hauptdarsteller keine Reichtümer zu gewinnen waren. (Die 60er und 70er Jahre waren Zeiten eines starken Dollar, und vor allem für kleine oder unabhängige Hollywood-Produktionen rechnete es sich, in Europa zu drehen, und on location sowieso…)
    Caine half auch, Connery vollends zu überzeugen — nicht dass da übermäßig viel Überzeugungsarbeit nötig gewesen sein dürfte, denn Connery war nur zu gern bereit, irgendwas anderes zu spielen als den ihm mittlerweile herzlich verhassten James Bond, und sowieso wollten Caine und Connery ja schon längst mal zusammen drehen… Jedenfalls, und das erwies sich für das spätere Ergebnis auf Zelluloid als wichtig, waren beide hellauf begeistert von der Aussicht auf das Projekt**.

    – Caine erzählt weiter, dass die knapp über zwanzig Seiten lange, titelgebende Erzählung von Kipling nicht genug „Fleisch‘ gehabt habe, um einen 90-Minuten-Kinofilm zu „tragen“. Es seien deshalb noch einige andere passende Motive Kiplings in dem Drehbuch verarbeitet worden. Denn ein richtig großer echter Film fürs Kino, und nicht etwa ein Fernsehfilm, sollte „Der Mann der König sein wollte“ unbedingt werden!

    – Studiodrehs für „Der Mann der König sein wollte“ erfolgten in den Pinewood Studios bei London. Wenn die beiden Abenteurer sich über den Hindukusch von Afghanistan nach Kafiristan*** kämpfen, stolpern sie in Wirklichkeit in Hochsavoyen unter der Aiguille du Midi, dem Montblanc und Dent du Géant herum. Alles, was Britisch-Indien und umliegende Gegenden vorstellen soll, befindet sich in Wahrheit in ehemals Französisch-Nordafrika, genauer Marokko. Viele Marsch- und Gefechtsszenen wurden im nördlichen Atlas gefilmt. Die kafirischen Siedlungen jedoch sind in der Regel Altstadtviertel der im Transatlas gelegenen Stadt Ouarzazate. In der dortigen Umgehend wurde auch die riesige Außenkulisse der Tempelstadt Sikander-Kul errichtet, sowie die Hängebrücke aus der Schlusssequenz als zweitwichtigste Außenkulisse.
    Solange im europäisierten Teil Marokkos gedreht wurde, bewegte sich der Filmtross übrigens auf historischen Spuren; so wohnte man in Casablanca im Anfa-Hotel, Austragungsort der Alliierten-Konferenz von Anfang 1943. In Marrakesch war der Tross im legendären Luxushotel „La Mamounia“ untergebracht, in dem u.a. Winston Churchill Stammgast war (und wohin der nach Konferenzende 1943 auch den überarbeiteten US-Präsidenten F.D. Roosevelt für einige Tage „verschleppt“ hatte).

    – Warum wollten so viele Schauspieler/innen unbedingt mit John Huston drehen? — Huston hatte sich seit den 40er Jahren den Ruf eines „Schauspieler-Regisseurs“ erworben, der auf gute (aber stets noch verbesserungsfähige) Drehbücher, präzise Besetzung bis in die Nebenrollen, eine Teamleistung vor und hinter der Kamera und das versammelte Können seiner Besetzung baute, und es sich regelmäßig leistete, den Schauspieler/inne/n viel Leine zu lassen. Bei „Der Mann der König sein wollte“ sah diese lange Leine so aus, dass Huston erklärte, wie er sich eine anstehende Szene vorstellte, Verbesserungsvorschläge seiner Besetzung und/oder seines Stabes anhörte und meistens auch auf sie einging, und verschiedene Szenen sogar komplett improvisieren ließ: So ist beispielsweise die Filmsequenz mit den beiden Halunken vor dem Distriktskommissar bis auf den Dialogtext des Beamten von Anfang bis Ende von Caine und Connery gemeinsam improvisiert, einschließlich dem selbst kommandierten Ein- und Ausmarsch der beiden und dem kontrollierten Ausraster Caines: Als der Kolonialbeamte ihn und Dravot als Schädlinge am Empire bezeichnet, faltet Carnehan den Sesselfurzer verbal zusammen und steckt ihm ein Licht darüber auf, wer denn das Britische Weltreich eigentlich aufgebaut hat und täglich am Laufen hält — nämlich Kleine Leute wie seinesgleichen! Diese Szene muss für Working Class Hero und Cockney Rebel Michael Caine ein ganz besonderes Vergnügen gewesen sein…
    Eine andere Besonderheit war, dass v.a. Caine und Connery sich Dialogtext mit besonders vorteilhaften Einstellungen für einen von beiden gegenseitig zuschoben. Dabei half sehr, dass bereits Kipling in seiner Kurzgeschichte die Freundschaft zwischen Peachy Carnehan und Daniel Dravot ins Zentrum gerückt und die beiden als zwei Hälften eines einzelnen Charakters konzipiert hatte, bei dem nicht wichtig war, wer welchen Satz spricht, sondern es auf die Gesamtaussage ankommt. Vergleichbares kann, wer aufmerksam hinsieht, aber auch beim Umgang mit den (im Wortsinne) ’supporting roles‘ von Zeitungsredakteur Kipling und später Billy Fish, dem untergetauchten Gurkha-Soldaten erkennen: Die Schauspieler spielten nicht bloß, sie spielten alle mit einander, und der Regisseur griff bloß ein, wenn etwas völlig aus dem Ruder zu laufen drohte.
    Diese Dreharbeiten müssen für die Filmcrew — trotz z.T. herausfordernder Begleitumstände**** — ein derart erfreuliches Erlebnis gewesen sein, dass nicht wenige, darunter die beiden Hauptdarsteller, „Der Mann der König sein wollte“ zu ihrem ausdrücklichen Lieblingsfilm erklärten.

    – Michael Caines Ehefrau Shakira kam zu ihrer wichtigen Nebenrolle als Prinzessin Roxane — von Daniel „Sikander II.“ Dravot zur Begründung einer Dynastie ausersehen und letztlich der entscheidende Nagel zu seinem Sarg — in letzter Minute und unfreiwillig, weil die ursprünglich vorgesehene, englische Besetzung***** kurzfristig ausfiel. Huston hatte aber zudem wohl selbst Bedenken an seiner ursprünglichen Wahl gefunden; ihm schwebte ein etwas exotischerer Frauentyp vor, den Shakira Baksh nahezu perfekt zu verkörpern schien. Insofern kam ihm der „Personalausfall“ wohl durchaus gelegen, und er überredete die ihren Mann begleitende Ehefrau dazu, vor Ort einzuspringen. Ihre Szenen wurden an einem einzigen Aufnahmetag abgedreht und stellen m.W. ihre insgesamt substanziellste****** Schauspielleistung dar.

    – Die Geschichte der beiden glorreichen Halunken Danny und Peachy endet bekanntlich böse: Schon gegen Ende des zweiten Altes liefen die beiden in der Tempelstadt Sikander-Kul Gefahr, durch die „Blutprobe“ des Hohepriesters als sterbliche Ungläubige aufzufliegen. Unverhofft retteten sie damals ihre Freimaurer-Insignien, die sich auch in der Symbolik der örtlichen Religion, welche Elemente der Freimaurerei enthält, wiederfinden. So „hielt“ ihre Legende als legitime Nachkommen Alexanders des Großen (und Gottgleichen), niemand dachte mehr daran, diesen „Göttern“ probehalber die Haut zu ritzen, die Entdeckungsgefahr war vorerst gebannt, Daniel Dravot konnte sich zum König aufschwingen, und beide Galgenstricke kamen plangemäß in den Besitz des Tempelschatzes: Bahn frei für Akt Drei, zunächst mit dem Befriedungs- und Kulturwerk der Dravot’schen Reformen in Recht, Verkehrswesen und Landwirtschaft — der Mann hatte seine Berufung entdeckt! Im weiteren Verlauf der Handlung zeigen sich dann Risse in der unzertrennlichen Freundschaft zwischen König Danny und seinem Vizekönig Peachy, denn Daniel entwickelt dynastische Ideen, nährt Pfeifenträume von Ebenbürtigkeit mit Königin Victoria (der Kaiserin von Indien) und anderen gekrönten Potentaten, und verliert generell zunehmend die Bodenhaftung. Nach der Vermählungszeremonie, wo die todesängstliche Roxane Daniel Dravot alias Gottkönig Sikander II. als aus Fleisch und Blut (!) bestehend bloßgestellt hat, kehrt sich der aufflammende Zorn der getäuschten Beherrschten gegen die beiden Usurpatoren und deren Helfer. Peachy, Danny und Billy Fish mit dem Reste der Leibgarde können zwar zunächst fliehen, werden aber in dem vom Hohepriester in Aufruhr versetzten Land rasch zur Strecke gebracht. Nur die beiden gewesenen Könige bleiben danach übrig und am Leben, und zum finalen Höhepunkt der Haupthandlung des Films muss sich Daniel Dravot einem Gottesurteil stellen und eine der auf sein Geheiß errichteten Seil-Hängebrücken überschreiten, während die aufgebrachte Bevölkerung die Verankerungsseile der Brücke durchhackt.
    Hierbei kam die zweite große Außenkulisse des Films zum Einsatz, die bei Ouarzazate zwischen zwei Klippen am Rande einer Schlucht errichtet worden war, und es entwickelte sich einer der haarsträubendsten Stunts der bisherigen Filmgeschichte.
    Ausgeführt hat ihn Joe Powell, ex-SAS-Angehöriger (= britische Luftlande-Kommandotruppen im II. WK) und „Großvater“ aller britischen Stuntleute*******.

    In gewisser Weise ist die spektakuläre Schlusssequenz der Haupthandlung des Films ein Paradebeispiel für die sprichwörtliche „Traumfabrik“ — es kommt allein darauf an, was auf der Leinwand gezeigt wird und wie:
    In Aufnahmen vom Dreh erkennt man nämlich, dass die Hängebrücke keineswegs eine hundert Meter tiefe Schlucht überspannt, sondern „nur“ zwischen zwei vorspringenden Klippen am Rande dieser Schlucht und ungefähr parallel zu ihr verläuft. Vom Schluchtrand zwischen diesen Klippen filmt die Kamera seitlich über die Brücke hinweg hinunter in die Schlucht, die aber erst ein Stück abwärts der Brücke in voller Tiefe sichtbar ist. Wer von der Brücke stürzt, fällt nach Sekunden unten aus diesem Bildausschnitt heraus, aber vor dem Hintergrund der klaffenden Schlucht, damit der Kopf in der Vorstellung auch schön ergänzt, was die Augen nie gesehen haben. (Mein Lateinlehrer hätte dazu gemeint: MUNDUS VULT DECIPI ERGO DECIPIATUR!)
    Der Fallweg, bis der besagte Bildausschnitt verlassen ist, betrug immerhin noch gute 15 Meter, also ungefähr fünf Stockwerke! — Harmlos geht ganz anders.

    Unterhalb-außerhalb des genannten Bildausschnitts ließ Stuntman Joe Powell von den Klippen aus eine ziemlich windig aussehende Kragkonstruktion in seine mutmaßliche Sturzbahn hinausbauen. Um seinen Fall zu bremsen, wurden auf die Plattform dieses Gestells diverse Lagen Umzugskartons gestapelt und mit mehreren Lagen Schaumstoffmatratzen bedeckt. Fangnetze um den Rand der Plattform waren als zusätzliche Sicherheit gedacht, sollte Powell sich „verfliegen“, denn selbst am Rand der Schlucht herrschten völlig unberechenbare Windverhältnisse, die ihn mühelos hätten abtrudeln lassen können.
    Trotz aller Sicherheitsvorkehrungen blieb das Ganze also ein wahnwitziges Unterfangen mit kaum kalkulierbaren Restrisiko — weshalb die Sturzszene wohlweislich als allerletztes abgedreht wurde:
    Es war schon schwierig genug gewesen, den unter Höhenangst leidenden Sean Connery dazu zu bringen, unter lauthalsem Absingen eines christlich-fundamentalistisch-patriotischen Landsknechtsschlagers („The Son Of God Goes Forth To War“, erdichtet und komponiert von einem anglikanischen Bischof, und offizieller Bestandteil des Kirchengesangbuchs) forsch bis zur Brückenmitte hinauszumarschieren, während das Bauwerk immer wieder ruckelt und wackelt (weil ja die Aufständischen, auf die immer wieder umgeschnitten wird, bereits eifrig auf die Tragseile einhacken). Hierbei war die Brückenkonstruktion in Wirklichkeit noch vollkommen gesichert. Connery bleibt mitten auf der Brücke stehen und dreht sich ins verlorene Profil, es wird auf den zum Zusehen gezwungenen, entgeisterten Michel Caine geschnitten, und dann auf den Hohepriester, der ein Tragseil vollends durchhackt. Inzwischen steht Powell für Connery auf der Brücke, die Sperrklinke des Stahlseils, das eigentlich die Brücke trägt, wird auf Powells Kommando gelöst, die Brücke klappt nach unten und Powell stürzt aus dem Bild… Und traf mitten in den schaumstoffgepolsterten Kartonstapel!
    Schlussklappe.

    Der enorm beeindruckte — und als bekennender britischer Patriot vermutlich auch auf die erwiesene quasimilitärische Präzision und Professionalität stolze — Michael Caine vergleicht in seinem Buch diesen Stunt insgesamt mit dem Vorhaben, quer durch eine Sporthalle mit einem Handball beim ersten Versuch in einen Schuhkarton zu treffen. Und Regisseur John Huston wird mit den Worten zitiert: „This was the darnedest stunt I ever saw!“

    Und damit genug der Lobpreisungen für diesen meiner völlig unmaßgeblichen Meinung nach rundum gelungenen Film! Zu dergleichen sagt man, glaub‘ ich, „großes Kino“.

    Danke Euch beiden für eine weitere tolle Folge der „Kultfilm-Azubis“, und (wieder mal) Sorry for this long post!

    ____________

    *: Caine schreibt von einem ‚traditional mini-honeymoon escape‘ und macht u.a. diese „Tradition“ mit verantwortlich für den unglamourös-glücklichen Verlauf seiner zweiten Ehe😁

    **: Entscheidungsfördernd war, wie Caine zugibt, auch die Möglichkeit, Frau bzw. Freundin zu günstigen Konditionen auf einige der Außendrehs mitzunehmen und das Ganze so zu einer Art „Familienferien“ werden zu lassen.😄 Einzelne kamen so durch die Verkettung von Umständen im Verlauf der Dreharbeiten sogar zu einer weiblichen Hauptrolle…

    ***: „Kafiristan“ (laut Danny Dravot im Film ‚Land ohne Götter‘, eigentlich aber übersetzt ‚Land der Ungläubigen‘) hat einen durchaus realen Hintergrund. Die Stämme in den schwer zugänglichen, aber leidlich fruchtbaren Talschaften des nordöstlichen afghanisch-pakistanischen Grenzgebiets hatten sich bis Ende des 19. Jhdts. in der Tat hartnäckig und erfolgreich der allgegenwärtigen islamischen Missionierung durch Feuer & Schwert zu erwehren und an ihrem überkommenen polytheistisch-animistischen Religionsmosaik festzuhalten vermocht. Obgleich die Täler untereinander religiös durchaus zerstritten waren, einte sie nach außen die Verteidigung ihres ständig bedrohten Territoriums und die weitestgehende Abschottung gegen die (feindliche) Außenwelt. Dies alles wird im Film getreu abgebildet; auch das Fehlen von Handfeuerwaffen in der Gegend, aus dem die beiden glorreichen Halunken ihr „Geschäftsmodell“ herleiten, entspricht der geschichtlichen Realität.
    In Wirklichkeit haben dann aber das Arrangement der Briten mit dem Emir von Afghanistan (nach zwei gescheiterten militärischen Eroberungsversuchen) und ihre Waffenhilfe, sowie der Verkauf veralteter Armeewaffen an die pakistanischen Grenzstämme dazu geführt, dass in den 1890er Jahren das „wilde Kafiristan“ doch noch von seinen islamischen Nachbarn erobert und zwangsmissioniert wurde. Bei der Gelegenheit kam es dann auch zur Umbenennung der Gegend: Aus „Kafiristan“, dem ‚Land der Ungläubigen‘ wurde „Nuristan“, das ‚Land der Erleuchteten‘.
    Schwer zugängliche und unruhig blieb der Landstrich allerdings nach wie vor: Hier startete zu Zeiten der sowjetischen Besetzung Afghanistans der organisierte militärische Widerstand der einheimischen Bevölkerung, hier hatte später Al Khaida ihre Hochburgen und Rückzugsräume (Osama bin Laden höchstselbst soll sich geraume Zeit in der Gegend versteckt und eine Operationsbasis unterhalten haben), und von hier ging schließlich unlängst auch die Machtergreifung des aktuellen Taliban-Regimes in Afghanistan aus.

    ****: Caine berichtet u.a. davon, dass der ständige Wüstenwind in der Berberstadt Ouarzazate staubtrocken pulverisierten Kameldung umherblies, wovon viele in der Crew chronische Bindehautentzündung und Probleme mit den Bronchien bekamen.

    *****: Angeblich war ursprünglich an Tessa Dahl gedacht gewesen, die Tochter des Schriftstellers Roald Dahl, der irgendwie seine Finger in einer früheren Version des Drehbuchs gehabt hatte, ohne es bis in den Abspann des Films zu schaffen.

    ******: Shakira Baksh, Tochter indisch-muslimischer Eltern, in Britisch Guyana geboren und aufgewachsen, und — einmal abgesehen davon, dass sie als Model für die Kamera rumzustehen und auszusehen bzw. in Werbefilmen auszusehen und zu tun hatte — ist u.a. ausgebildete Fremdsprachenkorrespondentin, Botschaftssekretärin und Mode- und Schmuckdesignerin. Will sagen, sie kann durchaus mehr als nur Brot essen!
    Außer in einigen Werbespots (der für Maxwell Kaffee mit den Maracas führte bekanntermaßen dazu, dass sich Caine Knall auf Fall in sie verliebte) hat sie m.W. hauptsächlich im jeweiligen Abspann namentlich nicht erwähnte Nebenrollen fürs britische Fernsehen gespielt, z.B. in der Sci-Fi-Serie U.F.O.

    *******: Nach Koreakrieg und Ende der britischen Kolonialherrschaft in Zentralafrika heuerten viele abgemusterte „Commandos“ in der Komparserie von Pinewood an und organisierten sich, z.T. unter ihren früheren Einheitsführern, zu festen Stuntteams mit jeweils unterschiedlichen Spezialgebieten.

    Auf DuTube! kann mensch übrigens eine zeitgenössische Fernsehreportage über die Dreharbeiten zu ‚The Man Who Would Be King‘ finden, die Hustons teamorientierte Arbeitsweise zeigt und auch Aufnahmen von dem Brücken-Stunt enthält:

    https://youtu.be/7MrvMB_utug?feature=shared

    • montyarnold sagt:

      Vielen Dank auch für diese Ergänzung! Ich habe auch den Einstieg mit SWF 3 sehr genossen (und gar nicht gewusst, dass die – wie mein SWF 3, das deutsche RTL – nicht rund um die Uhr gesendet haben).
      Beste Grüße!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert