betr.: Lesen vom Blatt / Übung
Eine Prima Vista Lesung in abgemilderter Form lässt sich durchführen, wenn man sich verschiedene Übersetzungen der selben Textpassage vornimmt: die erste wird still gelesen, die zweite laut.
Der Inhalt ist bekannt, der Wortlaut ändert sich.
Die erste der beiden Übersetzungen vom Anfang einer der berühmtesten Erzählungen des Edgar Allan Poe leistet sich am Ende unserer Textprobe eine kühne Interpretation („ich sah ihn nie wieder“), die sowohl in den folgenden Fassungen als auch im Poe’schen Urtext fehlt. Dort heißt es über den Freund des Erzählers, er „now took leave, and I saw him no more.“ – Was lediglich bedeutet, er habe sich entfernt wie besprochen.
1. „Edgar Allan Poe: Erzählungen in zwei Bänden“, Band 2
Übersetzt von Hedda Eulenberg für Büchergilde Gutenberg 1965

2. „Edgar Allan Poe – Das gesamte Werk in zehn Bänden“, Band 1
Deutsch von Arno Schmidt und Hans Wollschläger für Walter-Verlag AG Olten 1966


3. „Books On Demand“ – Übersetzung unter dem Titel „Das System des Dr. Teer und Prof Feder“


😅Nörgel, nörgel…
Bei Arno Schmidts Übersetzung fehlen gegenüber den anderen beiden Versionen derzeit im Zitat leider zwei Absätze (der mit der Vorstellung von Monsieur Maillard, und der, in dem der Protagonist von seinem Reisegefährten scheidet).
Nörgel, nörgel…😅
Zu dumm – mehr ist in meinem Buch an dieser Stelle nicht drin. (So ein Betruch!)
Schweinewelt!!🐷🌍
Der Wortmetz aus Bargfeld ein Pfuscher und Hudler?! — Nit mööochlich!
Dabei war doch diese Poe-Edition damals eines von Schmidts wenigen ausdrücklichen Lieblingsprojekten unter den ihm gewöhnlich so verhassten Brot-und-Butter-Übersetzungen aus dem Englischen. Er tat sich ordentlich was zugute auf seine professionelle Herangehensweise (u.a. stets die neueste Vorlage von des Autors letzter Hand heranziehend), und hat mehr als einmal Lohnübersetzer, über deren anspruchslose Mediokritäten er sich so richtig geärgert hatte, nach allen Regeln der Kunst öffentlich in die Pfanne gehauen und ihnen Fehler um Fehler nachgewiesen….
Die etwas eigensinnige Ortografie von Schmidts Übersetzung spricht außerdem dafür, dass sie etwa Mitte/Ende der 60er entstanden sein muss, als er aus seiner Übersetzungstätigkeit längst eine Präzisionsarbeit gemacht hatte. Umso weniger wahrscheinlich wäre da m.E. ein derart kapitaler Murks, bei dem ganze Absätze am Stück übern Jordan gejagt werden!
Oder hat etwa der Lektor und Herausgeber in elfter Stunde noch am Text herumgestümmelt?!
(Es ist jetzt gute 45 Jahre her, dass ich mir — veranlasst durch jenes grundstürzende proggige Erstlingswerk von Alan Parsons, Eric Woolfson & Verstärkung — mir von einem etwas weniger nerdigen Mitschüler ein paar Bände Poe auslieh und somit Erstkontakt gleich mit Poe und Schmidt bekam. Und ich möchte fast beschwören, dass ich seinerzeit die hier fehlenden Absätze gelesen habe. Ein solches „Loch“ im Handlungsaufbau wäre mir bestimmt aufgefallen!)
Mal sehen, ob das Internet hierzu etwas hergibt…
Sorry, dass ich da so beharrlich bin — es fällt mir einfach schwer zu glauben, dass Schmidt dermaßen gegen seine eigenen Prinzipien verstoßen haben sollte, als er längst selbst von Kollegen und Kritik belagert wurde, die ihm nur zu gern am Zeug geflickt hätten.
Nix für ungut…