Abfälle inklusive: Der Director’s Cut

Dass ein großer Teil der Regie eines Films (die genaue Quote schwankt von Quelle zu Quelle) am Schneidetisch geleistet wird, ist inzwischen eine Binsenweisheit. Kaum zu glauben, dass ein so berühmter Mann wie Ridley Scott einmal Zeiten erlebte, in denen er nicht Herr über die endgültige Schnittfassung gewesen ist. Warum gerade Ridley Scott? Das Beispiel erscheint mir passend, weil mit seinem Umbau von „Blade Runner“ etwas seinen Anfang genommen hat, das inzwischen obligatorisch ist – und somit ohne jede Aussagekraft: der „Director’s Cut“.
Anfang der 90er Jahre ließ Scott mit der abermaligen Veröffentlichung seines bereits als Klassiker geführten Films von 1982 am Baum der Verwertungsmöglichkeiten einen weiteren starken Ast sprießen. Inzwischen hat er mehrere solcher Überarbeitungen seines „Blade Runner“ vorgelegt. Inzwischen gilt gefühlsmäßig die Regel: zu jeder kommerziell erfolgreichen Produktion existiert irgendwo ein Director’s Cut, und der ist schon deshalb als besser einzuschätzen, weil er länger ist als die ursprüngliche Kinofassung. Zu dieser Sicht hat auch die Gewohnheit beigetragen, auf den LDs, DVDs und blurays, die unterdessen Einzug gehalten haben, Bonusprogramme zu reichen, in denen die „deleted scenes“ den attraktivsten Teil ausmachen. Man kann sich denken, dass diese Szenen aus guten Gründen nicht in den Film hineingekommen sind bzw. extra gedreht wurden, um sie hier nachträglich zeigen zu können – es tut der Begeisterung keinen Abbruch.
In die diversen Varianten, die Francis Ford Coppola mittlerweile von „Apocalypse Now“ nachgelegt hat, sind auch Szenen eingeflossen, von denen er selbst sagte, sie würden den Film ausbremsen und seinen Rhythmus zerstören – wie recht er damit hatte, kann jetzt jeder für kleines Geld persönlich nachprüfen.

Disney ändert vor allem aus gesellschaftspolitischen Gründen an seinen Werken herum, und auch hier kann ein Bedarf an weiteren Bearbeitungen jederzeit behauptet werden.
In den Zeiten einer sich rasant entwickelnden Möglichkeit, bewegte Bilder am Computer zu retuschieren, wird – gerade bei Science-Fiction-Sujets – gern auch an der einstigen Zukunftsvision herumgepopelt. George Lucas‘ „aktualisierte“ „Star Wars“-Saga gilt allgemein als verunglückt, doch alles Gejammer der Fans hilft nichts: die Urfassung wird nicht mehr zugänglich gemacht. (Geschieht dies eines Tages doch, bedeutet das wieder „stupid money“ von der Fangemeinde…).
Auch den „Blade Runner“ bekommt man in der alten Fassung nicht mehr zu sehen, doch Scotts Retuschen waren noch anderer, waren inhaltlicher Art. Am vielgerühmten dystopischen Design änderte er nichts, stattdessen entfernte er den Off-Kommentar des Helden und baute ein Ende an, das diesen in neuem Licht erscheinen lässt (ist er nicht selbst einer der künstlichen Menschen, die er zu jagen hat?).

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