Die Kreatur und die Kreativen

betr.: 218. Geburtstag von Mary Wollstonecraft Shelley / 119. Geburtstag von Raymond Massey

Das Monster von Frankenstein ist – neben Jesus Christus und dem fiesen deutschen Diktator mit dem Bärtchen – die wohl dankbarste Rolle, die ein Schauspieler verkörpern kann und in dieser Reihe auch der numerische Spitzenreiter in der bisherigen Mediengeschichte. Daran erkennt man bereits, wie leicht das Monster aller Monster unterschätzt wird: selbst anerkannte Größen wie Robert De Niro oder Christopher Lee – der als Dracula und in zahllosen ähnlich mythologischen Stoffen bella figura machte – haben sich an diesem Charakter heillos die Zähne ausgebissen.

Er entstand im Viktorianischen England, als das Schriftstellerehepaar Percy und Mary Shelley mit dem ebenfalls legendären Lord Byron Orgien feierte und sich im Drogenrausch in Schriftstellerwettbewerbe verstrickte. Obwohl die Gedichte Percy Shelleys und die Arbeiten Byrons noch immer gelesen und geschätzt werden, kann kein literarisches Produkt dieser Runde es mit Marys Monster aufnehmen. (Es soll hier nicht verschwiegen werden, dass Mary Shelley auch einige grundlegende Arbeiten der Frauenrechtsbewegung verfasste, die damals bitter nötig waren.)

Das optische Erscheinungsbild des klassischen Monsters geht natürlich auf das Kino zurück. Zwar fertigte Thomas Alva Edison bereits im Jahre 1910 eine erste Filmversion der Geschichte an, aber der Universal-Darsteller Boris Karloff sollte gut 20 Jahre später – der Tonfilm war unterdessen ausgebrochen – das archetypische Frankenstein-Monster werden. Hier sind die körperlichen und schauspielerischen Aspekte des Schauspielers ebenso wichtig wie die Arbeit des Maskenbildners Jack Pierce. Die Kleidung des Monsters, wie sie in den üblichen Karikaturen, Parodien und im Kostümfundus von heute zu sehen ist, wurde erst im dritten und letzten Karloff-Frankenstein-Film von 1939 eingeführt. Hatte das Monster bisher einen schwarzen Anzug getragen, erhielt es hier seine typische Fellweste über dem ollen Bodyshirt und die Bandagen um die Füße. Für Karloff selbst war die Figur zu diesem Zeitpunkt bereits gestorben: zahllose Plagiate nach seinem Bilde bevölkerten die Pop-Kultur, und der Meister selbst war inzwischen für diesen Part auch einfach zu dick.
Die charakteristischen Metallknöpfe saßen ursprünglich am Hals der Kreatur, wurden aber später – vermutlich der besseren Sichtbarkeit wegen – an der hohen, eckigen Stirn angebracht.
So sah das unverstandene Ungetüm auch in der lesenswerten, aber untergegangenen Marvel-Comicreihe aus, in der Doug Moench und Roy Thomas die Geschichte bis in die 70er Jahre weitererzählten.

Bis heute ist Karloffs Physiognomie im Merchandising zu auszumachen – was nicht allen Faschingsmasken-Vorbildern vergönnt war. Die bleiche Maske vom Michael Myers, dem schweigsamen Schlitzer aus der „Halloween“-Filmreihe, stammt angeblich aus dem Geschäft und sollte William Shatner darstellen. Der war zwar der echte Captain Kirk, eine Ehre, die ihm keiner nehmen kann, aber sein Gesicht entzog sich hartnäckig allen Portrait- und Karikaturversuchen. Und die sind beim Käpt’n der „Enterprise“ zahlreich unternommen worden.

Dieser Beitrag wurde unter Film, Hommage, Literatur, Medienkunde, Popkultur abgelegt und mit , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert