Kultfilme Nr. 41 bis 46 (nach 1980)

Dieser Artikel ist die Fortsetzung des gestrigen Beitrags https://blog.montyarnold.com/2019/07/25/kultfilme/ und versteht sich als Ergänzung zum fabelhaften Buch „Kultfilme“ von Ronald M. Hahn und Volker Jansen, Heyne Verlag 1985, und der dortigen Liste der 40 Kultfilme.

1982
Blade Runner, Regie: Ridley Scott
Der SF- und Dschungel-erprobte Weltstar Harrison Ford jagt in einer weiteren Glanzrolle künstliche Menschen, sogenannte
Replikanten, und wird zuletzt von einer bösen Ahnung heimgesucht.
Dieser Film, der unterdessen den in solchen Fällen unvermeidlichen Director’s Cut sowie eine Fortsetzung nach sich gezogen hat, ist genau wie die 80er und wird aus den selben Gründen geliebt: trashig, unansehnlich und nur unfreiwillig komisch. Die literarische Vorlage stammt von Philip K. Dick, der durch diesen allmählichen Hit (den er um Haaresbreite nicht mehr erlebte) zum heute neben Richard Matheson meistverfilmten Autor der Science-Fiction aufstieg.

1983
Im Himmel ist die Hölle los, Regie: Helmer von Lützelburg
In dem Maße, in dem Deutschland nicht Amerika (bzw. Hollywood) ist, ist „Im Himmel ist die Hölle los“ nicht die „Rocky Horror Picture Show“. Und doch verdient dieses vollkommen schamlose Underground-Musical die Bezeichnung „Kultfilm“ in besonderer Weise. In der Subkultur erlangte er ohne jede Hilfe durch Marketing oder berühmte Fürsprecher immense Popularität. Die Handlung – ein pummeliges Mädchen vom Lande verliebt sich in den Star eines Kabelsenders und steigt gegen alle Widerstände zu seiner Assistentin und Geliebten auf – ist gleichzeitig nostalgisch und prophetisch, entstand der Film doch vor der Einführung des Privatfernsehens. Unter einem Kostüm aus schrillen Song-Einlagen und scheinbar schierem Blödsinn lauert ein Sittengemälde der späten Bonner Republik.

1984
Terminator, Regie: James Cameron
Dieser mit geringem Budget hergestellte Überraschungserfolg ist ein Sonderfall in dieser Auflistung, führte er doch zu einem der besten „zweiten Teile“ der Filmgeschichte und profitierte wiederum von dessen Nachruhm als dem künstlerisch wertvollsten Actionfilm aller Zeiten – bei gleichzeitigem Publikumserfolg. Der notorisch unterschätzte Muskelmann Arnold Schwarzenegger verkörpert eine Kampfmaschine, die aus der Zukunft in die 80er Jahre geschickt wird, um einen Rebellen im Kindesalter abzupassen und zu beseitigen. In der erwähnten Fortsetzung wird Arnie dann zum positiven Charakter heranreifen und die Selbstironie auf die Spitze treiben. „Terminator“ (1 und 2) zeigen sowohl, wozu dieses Genre fähig ist, als auch wie selten es gelingt, mit diesem Pfund zu wuchern.

1987
Dirty Dancing, Regie: Emile Ardolino
Einige wenige Nostalgiker erinnern sich vielleicht an das süßliche Melodram, in dem sich der Startänzer Gene Kelly nach dem Ende der Filmmusical-Ära im dramatischen Fach bewähren wollte. Er ist der Entertainer-Animateur in einem Ferienresort und bricht das Herz eines Mädchens aus bürgerlichem Hause. Danach beginnt erst die eigentliche Handlung, doch nur diesen ersten Akt übernahm Eleanor Bergstein in ihr Drehbuch für „Dirty Dancing“.
Der Film ist wahrlich kein Kunstwerk, doch etwas so Schauerliches wie die Musical-Umsetzung hat er nicht verdient: die Autorin bestand darauf, dass jede Kleinigkeit, jeder Dialogsatz 1 zu 1 adaptiert wurde.

1990
Pretty Woman, Regie:
Julia Roberts als „Dirne mit dem goldenen Herzen“ und der graumelierte Richard Gere, der sich mit ihrer Hilfe vom reichen Freier zum Märchenprinzen upgradet.

1994
Pulp Fiction, Regie: Quentin Tarantino
Der Ruhm, der den ehemaligen Videocassetten-Verleiher Quentin Tarantino nach diesem Coup ereilte, dauert an und entbindet ihn bis heute von allzugroßer Anstrengung. Er hat es sich verdient. Die Raffinesse, mit der er Sympathien für schreckliche Elemente in uns weckt – allen voran für das Killer-Duo Samuel L. Jackson und John Travolta – ist in der Tat ein ganz großer Wurf. Damit revolutionierte Tarantino nicht nur den Gangsterfilm, sondern das Kino an sich. Drehbuchautor Paul Schrader („Taxi Driver“) seufzte, alles, was er je geschrieben habe sei nun mit einem Schlag veraltet.
Für den Rest der 90er Jahre brach eine Flut von Nachahmungsversuchen über das Publikum herein (nach dem Motto: labernde Gangster – das kann doch nicht so schwer sein!), und scheiterten sämtlich (besonders die deutschen Produkte).
Unterdessen war jeder gespannt, was Tarantino nachlegen würde. Bereits ein Jahr später folgte „Jackie Brown“, ein ähnlicher künstlerischer Triumph, der doch ganz anders war.

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Natürlich hat mich der merkwürdige Umstand nicht losgelassen, dass mir in den letzten 25 Jahren allenfalls noch Lieblings-, aber eben keine Kultfilme mehr untergekommen sind. Ich fragte Peter Clasen von „TV Spielfilm“ danach, den leidenschaftlichsten mir persönlich bekannten Filmhistoriker. Ihm ging es ähnlich, und er fand das Thema „heikel“:Großflächig entwickeln können sich potenzielle Kultfilme wohl nicht mehr. Ich sehe drei Gründe: 1) Es gibt viel zu viele Titel, das Feld ist ein riesiger Abgrund, wen kümmert da eine Handvoll Perlen? – 2) Alles ist immer und überall verfügbar, nichts ist mehr besonders. – 3) Alle Geschmäcker werden bedient, niemand muss darben oder auf etwas warten, die Gemüter werden sanft.
Wenn man heute von Kult sprechen kann, sind das m. E. keine Filme mehr, sondern Serien. Denn da gibt es noch den Mainstream und die kleinen, schrägen Dagegen-an-Stinker, die eine Fangemeinde hochzuhalten versucht.“

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* Näheres dazu auch unter https://blog.montyarnold.com/2017/07/17/die-schoensten-filme-die-ich-kenne-33-im-himmel-ist-die-hoelle-los/

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Eine Antwort zu Kultfilme Nr. 41 bis 46 (nach 1980)

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