Sprechen am Mikrofon: ON und OFF (3)

Fortsetzung vom 26.6.2020

ON und OFF in Wald und Flur

Im Theater ist es ganz einfach: sobald man mich nicht sieht, bin ich im OFF. Trete ich auf / werde ich sichtbar, bin ich im ON. Das ON ist somit der Normalzustand.
Rufe ich jedoch aus der Gasse heraus: „Herr Baron, der Gutshof brennt!“ und komme erst dann atemlos (und mit rußigen Wangen) auf die Bühne gestürmt, habe ich meinen Satz im OFF gesprochen.
Hört man meine Stimme einen Prolog sprechen, ehe der Vorhang sich hebt oder bevor das Licht angegangen ist („Unsere Geschichte beginnt in tragischer, bewegter Zeit. Heute sollt ihr erfahren, was sich zugetragen hat, als …“) – vielleicht sogar mächtig und eindrucksvoll über den Saal-Lautsprecher („Meine Damen und Herren, bitte vergessen Sie nicht, Ihr Mobiltelefon nach der Vorstellung … hihi … wieder einzuschalten!“) -, bin ich ebenfalls im OFF.

Im Synchron ist es ein wenig anders, wenn auch ebenso einleuchtend. Hier sind ON und OFF rein technische Hinweise.
Sieht man eine Person sprechen, dann ist sie im ON. Hört man sie nur / spricht sie außerhalb unseres Blickfeldes, ist sie im OFF. Auch wer bereits aufgetreten ist und mit den Angesprochenen im selben Raume verweilt, befindet sich im OFF, sobald er oder sie nicht im Bild ist. Das kann im Laufe eines Satzes wechseln, sogar mehrfach. Sieht man einen Teil der Person (etwa die linke Schulter oder eine Hand), kann aber ihre Lippen nicht erkennen, spricht die Dialogregie von CONTER.

Wie aber verhält es sich in rein akustischen Zusammenhängen: bei Hörspiel, Radiofeature, Funkwerbung? Selbstverständlich gibt es auch hier ON und OFF, obwohl gar kein Bild existiert, in das man sich herein- oder aus dem man sich hinausbewegen kann.
OFF bedeutet hier grundsätzlich, dass zu der Stimme, die wir hören, kein Körper gehört. Die OFF-Stimme ist eine Erzählerstimme, ein Kommentar, eine Gedankenstimme, keine physisch agierende Person. Wer diese Stimme abgibt, ist für die Personen im ON üblicherweise nicht sicht- oder hörbar.
Das hat große Auswirkungen auf die Art und Weise, wie gesprochen und wie sich insgesamt am Mikrofon verhalten wird.
(Auch für die Mikrofonie und die Abmischung ist es von Bedeutung.) Wer sich in historischen Medien wie Radio, Fernsehen und Kino professionelle Audio-Produktionen anhört, wird die folgenden Regeln nachvollziehen und verinnerlichen können. (Auf dem Gebiet des Podcasts gibt es zahlreiche Spielarten, die hier als Beispiel ungeeignet sind, daher die Einschränkung.)

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