E und U – Der ewige Kampf

Dieses Zitat von der Plattentasche einer 1969 in der DDR veröffentlichten LP, auf der vier Klassiker des amerikanischen Musicals vorgestellt werden, bringt einen Irrtum zum Ausdruck, der bis heute in unserem Sprachgebrauch als Wahrheit gepflegt wird: Unterhaltung ist zwangläufig etwas Seichtes und somit etwas Schlechtes.
Dabei ist das Gegenargument noch einleuchtender: jedes Musical, jeder Film, sogar jeder Roman  kostet eine Unmenge Geld, die letztlich wieder hereingespielt werden muss. Und zu diesem Zweck muss das Ergebnis im weitesten Sinne zugänglich sein. (Zumindest wenn wir nicht fortan ausschließlich mit Kultur leben wollen, die von Gremien verantwortet wird.)

Auch die im Zitat ausdrücklich als gut = nichtkommerziell (demnach also als nicht-kapitalistisch) gelobten Klassiker „Porgy And Bess“ und  „West Side Story“ wollten und mussten Erfolg haben, und zwar zunächst an der Theaterkasse. Ohne diesen wäre auch ihre Botschaft, ihr Anspruch – oder was immer man in das Werk hineininterpretieren möchte, um sich besser zu fühlen – mit ihr untergegangen.

Selbst kommerzielle Filmprojekte müssen heute von einer Unzahl von Förderern ermöglicht werden, die das Budget vorstrecken oder spenden. Dass sie alle auch inhaltlich ein Wörtchen mitreden wollen (in Gestalt von Delegierten, die häufig gar keine kreativen Ambitionen haben), erklärt, warum es gegenwärtig so wenig gibt, was man – wortwörtlich oder sarkastisch – als „unterhaltsam“ bezeichnen kann. In der großartigen Doku über Michael Haneke, die dieser Tage auf arte präsentiert wird, musste ich wieder hören, die Qualität dieses Regisseurs läge darin, dass er dem Eskapismus immer bereit wäre zu widersagen. Leider gebraucht auch Haneke selbst das Wort „Unterhaltung“ in Interviews gern als Schimpfwort. In der Dokumentation sagt er, es gebe keinen Kompromiss zwischen Kommerz und Nicht-Kommerz.

Hanekes Filme sind für mich Eskapismus in seiner schönsten und verdienstvollsten Form. Wären sie nicht so abgründig, klug und irritierend, würden sie mich nicht unterhalten. Und wären sie nicht so immens unterhaltsam, würde mich auch ihre Botschaft nicht erreichen.

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