Die schönsten Filme, die ich kenne (115): „Lemming“

Alles läuft bestens im Leben des jungen Ingenieurs Alain Getty und seiner zauberhaften Frau Bénédicte, die dabei sind, sich ein Haus an einem noblen Stadtrand im Süden Frankreichs einzurichten.
Mit seiner fliegenden Webcam meistert Alain eine gelungene Präsentation in seiner Firma. Dass sein Chef Richard Pollock sich vor Freude zu einem gemeinsamen Abendessen mit den beiden Ehefrauen einlädt, wird sich allerdings als verhängnisvoll für praktisch alle Beteiligten erweisen. Richard und Gattin Alice (Charlotte Rampling in einer typischen Altersrolle als mysteriöse Gewitterziege) kommen Stunden zu spät, liefern sich einen peinlichen Ehestreit, und zum Abschied muss sich Gastgeberin Bénédicte auch noch von Alice beleidigen lassen. Bénédicte geht sehr sportlich damit um.
Das titelgebende böse Omen tritt in der folgenden Nacht in Erscheinung, als der schlaflose Alain den verstopften Küchenabfluss in Ordnung bringen will und ein verendetes Nagetier herausholt (es wird später wieder lebendig).
Als Alain am nächsten Tag zur Arbeit geht, taucht Alice bei Bénédicte auf und bittet darum, sich etwas hinlegen zu dürfen. Die verwirrte aber stets hilfsbereite Bénédicte willigt ein. Doch dann verrammelt sich Alice im Gästezimmer und beginnt herumzutoben. Nachdem sie fort ist, gehen im Haus schräge und immer schrägere Dinge vor sich, und die Musterehe der Gettys entwickelt sich zum Alptraum. Allmählich dämmert Alain, dass er zu drastischen Mitteln greifen muss, wenn er sein altes Leben zurückhaben möchte, zu Mitteln, die seinem Naturell komplett zuwiderlaufen …

Zu Werbezwecken wurde „Lemming“ (2005) mit David Lynch verglichen, doch der schleichende Einbruch des Paranormalen ist nie so selbstzweckhaft und willkürlich inszeniert wie bei ihm. Auch mein spontaner Gedanke an Chabrol trägt nicht weit, denn es fehlt hier an dessen selbstverliebter Skurrilität und an den simplen Schuldzuweisungen. „Lemming“ lässt sich nicht flott einsortieren, er ist auf erfrischende Weise unkonventionell. Während man ihn betrachtet, ist man zu gefesselt, um all die Genre-Elemente zu benennen, die Regisseur und Mitautor Dominik Moll fein dosiert in das Gerüst eines französischen Beziehungsfilms eingepflegt hat: Besessenheitshorror, Geistergeschichte, Büroklamotte, Südstaatendrama, Tierhorror und vieles andere. Eines ist der Thriller „Lemming“ aber keineswegs: ein Krimi – obwohl es zuletzt einen Selbstmord und einen Mord zu beklagen gibt.

Dieser Beitrag wurde unter Film, Rezension abgelegt und mit , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert