betr.: 100. Geburtstag von Gerhard Bronner
Die Wenigen, die hierzulande überhaupt etwas mit dem Namen Gerhard Bronner anfangen können, tun das aufgrund der Beschimpfungen durch seinen ungleich berühmteren Busenfeind: Georg Kreisler (zum Schimpfen ja schon von Berufs wegen besonders berufen und begabt).
Nachsichtig betrachtet (wie es der ORF zur Feier des Tages hält) waren Kreisler und Bronner „zwei geniale Liedermacher, die Freunde waren und zu Feinden wurden – die sich aber immer sehr zugetan waren“. Gemeinsamkeiten gab es genug: beide mussten als Jugendliche ihre Heimat Wien verlassen, als die Nazis ihren umjubelten „Anschluss“ vollzogen.
Der 16jährige Bronner schwamm über die Donau und erwischte ein Schiff nach Palästina. Der wenige Monate ältere Kreisler floh derweil mit seiner Familie nach Westen in die USA. Dort arbeitete er in Hollywood mit Charlie Chaplin und lernte in New York das Handwerk des Show-Business. Bronner gelang dies als Kapellmeister einer 24köpfigen Band und später bei einem Engagement in London. Nach dem Ende des Krieges kamen beide zurück nach Wien (Bronner 1948, Kreisler 1955), wo die legendäre Marietta-Bar die wichtigste ihrer gemeinsamen Kultstätten werden sollte.
1959 übernahm Gerhard Bronner das „Neue Theater am Kärntnertor“ (er leitete es bis 1966), wo sein Kabarett-Ensemble grandiose Erfolge feierte. Bronner schrieb Erfolge wie „Der g’schupfte Ferdl“, „Der Halbwilde“, „Der Bundesbahnblues“ oder „Der Papa wird’s schon richten“. Der heimgekehrte Kreisler spielte seine Chansons vorwiegend in Gerhard Bronners Marietta-Bar. 1956 pachtete er zusammen mit ihm das „Intime Theater“ in der Liliengasse.
In diesen Jahren lud sich Bronner – wenn wir Kreisler als Quelle nutzen – unsagbare Schuld auf: er glänzte wohl durch künstlerische Borniertheit und kreative Inkompetenz, bürokratisches, kompetitives, unprofessionelles bzw. stoffeliges Verhalten, durch narzisstische Kränkungen des Kollegen Kreisler und vieles andere mehr. Hinzu kamen das konfliktträchtige Verhältnis des Künstlers zu seinem Veranstalter und später das noch gefährlichere zweier Co-Veranstalter.
„Die Wege der beiden trennten sich, aber künstlerisch trafen sie immer wieder aufeinander“ (ORF). Ihr Schlacht- und Spannungsfeld war das Wiener Kabarett, das seine glanzvollste Zeit in den 50er Jahren hatte und damals (spät, aber nachhaltig) seine heutige Kabarett-Kultur begründete. Die Erlöse waren niedrig, der Publikumszuspruch groß und es wurde viel experimentiert. „Je ernster eine bittere Wahrheit war, die ich dem Publikum näherbringen wollte, desto überzeugender habe ich sie in Humor verpackt“, lobte sich Gerhard Bronner später in seinen Erinnerungen.
Das Ensemble, das die beiden Streithähne umgab, könnte malerischer nicht sein: Helmut Qualtinger und Peter Wehle gehörten dazu, zu Beginn auch Farkas-Waldbrunn. Bezeichnend ist, wie heillos sich alle diese Leute später zerstritten haben.