Endlich auch mal gesehen: „American Graffiti“

betr.: 85. Geburtstag von Francis Ford Coppola / Schließung einer persönlichen Bildungslücke

Der Produzent und „Star Wars“-Verursacher George Lucas kommt als Regisseur nur auf ein halbes Dutzend Einträge. Das verblüfft auf den ersten Blick, aber schließlich hat er seine wahre Bestimmung ja in der Erneuerung der Art und Weise gefunden, in der heute überhaupt Hollywood-Kino gemacht und rezipiert wird.
Sein zweiter Film als Regisseur (und der erste, der großen Erfolg hatte) wurde von Francis Ford Coppola produziert: „American Graffiti“. Der hat dieser nostalgischen Schilderung einer kalifornischen Sommernacht anno 1962, an deren Ende für eine Gruppe von Schulabgängern der Ernst des Lebens beginnen soll, ein aus heutiger Sicht echtes Highlight hinzugefügt: den noch unbekannten Harrison Ford, den er in seinen eigenen Regiearbeiten gern in Minirollen einsetzte.
„American Graffiti“ war früher zweierlei: ein Kultfilm und ein moderner Klassiker. Abgesehen von den drei genannten Personalien – und noch einigen weiteren, die gleich folgen – hat er dem heutigen Betrachter nichts mehr zu erzählen.

Zwar lobte die Kritik in seherischer Weise die junge Darstellerriege – so etwa Hans Günther Pflaum: „Ich kenne aus diesem Jahrzehnt bis heute keinen Film, der bis in die kleinste Nebenrolle so genial besetzt worden wäre wie dieser – und das mit gänzlich unbekannten und unverbrauchten Gesichtern.“ -, doch keiner davon kommt gegen die Logikfehler des kleinteiligen Drehbuchs sowie gegen die völlige Abwesenheit von Schauspielführung an. Der LukeSkywalker-Darsteller Mark Hamill hat in Interviews oft und gern erzählt, wie wenig ihn George Lucas in „Krieg der Sterne“ (1977) angeleitet und dass dieser sich ausschließlich für Tricktechnik und Bildgestaltung interessiert habe. Diese Nachlässigkeit ist in „American Graffiti“ bereits voll ausgebildet und beispielhaft zu besichtigen.
Das Drehbuch – Gloria Katz und Willard Huyck werden als Lucas‘ Mit-Autoren genannt – steckt voller verreckender Pointenversuche (der Auftritt des quasselnden Gebrauchtwagenhändlers, Milners Handschuhfach voller Strafzettel, das Mädchen, das lieber wie Sandra Dee aussehen will und nicht wie Connie Stevens, das gesamte linkische Getue des Brillenträgers Terry …). Die Umsetzung ist voller Anschlussfehler, deren deutlichste (der mehrfache Wechsel von Tageslicht zu nächtlicher Dunkelheit) an die Versäumnisse von Ed Wood erinnern, den offiziell schlechtesten Filmregisseur aller Zeiten. In der deutschen Synchronfassung – die sich offenbar bemüht, dem handwerklichen Niveau des Materials zu entsprechen – wird eine „Jugendsprache“ markiert, die peinlicher und papierener ist als alles, was ich in diesem Zusammenhang je auf der Leinwand gehört habe. (Immer wieder heißt es: „Das ist echt schau!“ – „schau“ ist hier ein Adjektiv.) Bei Sprachwitzen bündeln sich diese beiden Aspekte, und es wird besonders unangenehm.
Hin und wieder ertappt man sich dabei, dass man den ungenutzten Regiestuhl gerne ehrenamtlich besetzen würde. Die Szene vor dem Schnapsladen z.B. hat so viel komisches Potenzial, dass man sich nur fragt, wieso sie sich so vollständig im Leerlauf befindet.

Die vielgerühmte Besetzung ist nicht ganz so reich an späteren Stars wie gern gesagt wird, aber einige Namen sind aus heutiger Sicht durchaus klangvoll. Ron Howard (hier noch Ronnie) hat sich bald erfolgreich aufs Regiefach verlegt, hatte zuvor aber noch einen sehr hübschen Auftritt im JohnWayne-Spätwerk „The Shootist“. Richard Dreyfuss führt das Ensemble offiziell als Hauptdarsteller an, ist mit Mitte 20 für seine Rolle aber zu alt und agiert insgesamt sehr lahm und passiv. Harrison Ford schließlich hat nicht viel zu tun und erledigt das Wenige ohne jeden Aufwand: er verliert ein Autorennen à la „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ und darf vorher noch „Some Enchanted Evening“ singen, einen Song von Rodgers & Hammerstein, der das verachtenswerte Gegenteil des Rock‘ n‘ Roll symbolisieren soll.

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