betr.: Stimmalterung
Der Duden erklärt den Begriff „Timbre“ schlicht mit der Klangfarbe einer Sprech- oder Gesangsstimme. Im Sprachgebrauch des Alltags wie auch des Medienbetriebs ist damit ein ganz bestimmter Effekt der menschlichen Stimme gemeint, der ein gewisses Alter voraussetzt. Im Normalfall stellt er sich zwischen dem 45. und 50. Lebensjahr ein. Der Stimme fällt eine Erweiterung zu, ein weiterer Resonanzraum, eine Unterkellerung, in der eine kunstvolle Heiserkeit erzeugt werden kann. Wer in diesem Lebensabschnitt die Stimme senkt, bemerkt irgendwann diesen zusätzlichen Sound. Er wirkt älter, aber nicht weniger kraftvoll. Im Gegenteil.
Besonders männliche Interpreten (deren Sprache sich im Normalfall unverändert anhört) neigen dazu, ihrem hinzugewonnenen Register eine erotische Wirkung zuzuschreiben. Sie setzen es (vor allem in der Frühphase seiner Entdeckung) entsprechend häufig ein, auch am Mikrofon. Die Damen gehen mit diesem Effekt im Allgemeinen viel sparsamer damit um, es sei denn, sie finden, dass er zu ihrer Performance passe – etwa als Diseuse, als mütterlicher Typ oder auf dem Weg in ein späteres Kapitel ihres Selbstbildes.
Was bei der unbekümmerten Mitwelt salopp als „Sauf-“ oder „Whiskystimme“ durchgeht, macht den Träger selbst unsagbar glücklich und befeuert seine Eitelkeit. Selbst jene, die sich vorgeblich darüber lustig machen, etwa der Humorist Jürgen von der Lippe, setzen dieses Stilmittel so nachdrücklich ein, dass man an der Aufrichtigkeit ihrer Selbstironie anzweifeln möchte. Aber die meisten meinen es ganz ernst. Sky du Mont, zu dessen langjährigem Rollenfach als grau meliertem Charmeur dieser Sound die ideale Tonspur bildete, stieg mit ihm umso höher auf in der Gunst der Werbeagenten. Deutschlands prominentester Synchronsprecher Christian Brückner („Robert De Niro“), schon immer ein Virtuose der vokalen Aufrauhung, rumpelt sich bei seinen Lesungen so tief in den herben Altherren-Bereich herunter, dass man ihm ein Hustenbonbon in den Lautsprecher schieben möchte. (Ich machte mir schon Sorgen um ihn, bis ich erfuhr, dass er privat ganz anders klingt, etwa so wie früher). Auch gemütlich kann man es sich machen, wenn die Stimme zu krümeln beginnt. Bei Komödianten wie Otto Waalkes und Götz Alsmann geht das allerdings zu Lasten der Textverständlichkeit.
Eine der wenigen weiblichen Stimmen, die sich diesen Bereich sehr absichtsvoll erobert haben, ist die von Katharina Thalbach. Das passt großartig zu dem koboldhaft-keck glucksenden Image, das sie seit Jahrzehnten sorgfältig kultiviert. Sobald sie etwas leiser spricht – etwa beim Zitieren eines Verses oder wenn es im Gespräch etwas ernster zugeht -, freuen sich alle: „Da ist es wieder! Dieses unverwechselbare Thalbach-Timbre!“
Bemerkenswert an diesem Phänomen ist, dass es dem allgemeinen Jugendwahn komplett zuwiderläuft.