Beim Anblick des Warner Brothers-Logos denken nicht wenige von uns als erstes an die großartigen Cartoons dieses Studios. Dem Warner-Cartoon-Department gelang es tatsächlich für gut zwei Jahrzehnte (in den 40er und 50er Jahren), den übermächtigen Disneys die Dominanz über den Trickfilm zu entreißen – zumindest über die klassische siebenminütige Form; Disney wandte sich verstärkt dem abendfüllenden Format zu. Bugs Bunny, dieses hochgradig pubertierende Kaninchen, und seine denkwürdigen Kollegen waren um ein vielfaches frecher als Micky, Goofy und Donald, und ihre Abenteuer wirken noch heute erheblich frischer.
1999 brachte Warner einen animierten Langfilm heraus, der ein leises, aber würdiges Nachwort zu dieser historischen Fußnote bildet. Scheinbar mühelos gelingt ihm die perfekte Balance all dessen, was Disney in seinen Erfolgsfilmen schon lange nicht mehr unter einen Hut bekommt. Vergebens: „Der Gigant aus dem All“ ist ein Geheimtipp geblieben.
1957 befinden sich die USA im Kalten Krieg und werden von den Parolen des Senators McCarthy ideologisch genarrt. Ein Nebenschauplatz der Feindschaft zwischen Ost und West ist der Wettlauf ins All, bei dem die Russen durch ihren soeben gestarteten Sputnik gerade die Nase vorn haben.
Auch im neuenglischen Hafenstädtchen Rockwell nimmt man daran großen Anteil. Dort wächst der kleine Hogarth auf (ein Bengel mit hinreißenden Steh-Ohren). Seine alleinerziehende Mutter arbeitet in einem Diner und hat mit ihren Erziehungsbotschaften keine Chance. So erfüllt sich der Wunsch ihres Jungen nach einem verbotenen Haustier im Übermaß, als Hogarth nach einem verbotenen langen Aufbleiben in den nächtlichen Wald läuft, um einer technischen Störung und einer seltsamen Spur in der Umgebung auf den Grund zu gehen.
Ein 15 Meter hoher Kampf-Droide aus dem Weltraum – er sieht wirklich zum Fürchten aus – ist dabei, das örtliche Elektrizitätswerk anzuknabbern. Hogarths kindliches Gemüt erlaubt den beiden, sich miteinander anzufreunden, nachdem er den Riesen vor einem gewaltigen Stromschlag gerettet hat.
Auch in weniger paranoiden Zeiten – und ohne den Hunger des Roboters nach nahrhaftem Eisen – wäre es kompliziert, diese Freundschaft auszuleben. Hogarth muss das Ungetüm nicht nur vor seiner Mutter und den anderen Erwachsenen verstecken, dummerweise taucht auch noch ein Regierungsbeamter auf, der eine russische Geheimwaffe in der ländlichen Idylle vermutet. Der Schrotthändler und Schrott-Künstler Dean erweist sich als netter Kerl und Hogarths hilfreicher Verbündeter. Doch auch er kann den erbarmungslosen Lauf der Dinge nicht aufhalten …
Als „The Iron Giant“ von Brad Bird herauskam, mutete sein klassischer Trickfilm-Look bereits altmodisch an, doch als 3D-Animation wäre er ebenso undenkbar wie es Charlie Chaplins „City Lights“ als Tonfilm wäre. Die nächtlichen Bilder der schlafenden Stadt, des herbstlichen Waldes, der Aussicht von der Handfläche des Riesen sind atemberaubend. Und unser Blick zu ihm hinauf ist bis zuletzt staunend und ungläubig. Es bleibt ein Rätsel, wie es den Zeichnern gelungen ist, diesen grobmotorischen Koloss mit so viel Wärme und Anmut auszustatten, wann immer die Geschichte danach verlangt.
Auch alle übrigen Abweichungen von den Gesetzen des animierten Langfilms, tragen das Ihre zu seiner Wirkung bei: das Fehlen eines oder mehrerer gefälliger Songs, der sparsame Umgang mit (dadurch umso wirkungsvollerem) Slapstick, die kleinen Auslassungen, die den Zuschauer ebenso ernst nehmen wie die Charaktere. So wird etwa das Fehlen des Vaters nie erwähnt – wir sehen sein Foto in einem Kameraschwenk vorbeihuschen und können uns denken, dass er im Krieg gefallen sein könnte. Es gibt auch keine knuffig-komische Nebenrolle, die uns mit der Synchronstimme von Eddie Murphy auf die Nerven geht. Und wie durch ein Wunder werden wir auch nicht mit Details über die Herkunft des Roboters belästigt. Zum Finale folgen wir sogar der Flugbahn einer tödlichen Rakete – und sehen sie explodieren.
„The Iron Giant“ entzieht sich allen Formatierungen, die ihn auf eine bestimmte Zielgruppe ausrichten, und gerade das macht ihn zum einsamen Musterbeispiel dessen, was so gern mit dem verklemmten Ausdruck „Familienfilm“ bezeichnet wird. Trotz seiner humanistischen Botschaft wird es Eltern gegeben haben (und immer noch geben), die der Meinung sind, dieses Vergnügen lieber auszulassen.
Ein Verlust! Zum Glück einer, der sich leicht korrigieren lässt.
Pete Townsend, Gitarrist bei „The Who“, ließ sich 1989 von dem Kinderbuch „The Iron Giant“ von Ted Hughes zu einem Konzeptalbum inspirieren, das 1993 als Musical auf die Londoner Bühne fand. Townsend war an der filmischen Umsetzung als ausführender Produzent beteiligt.