betr.: „Deadpool & Wolverine“
„Der Eiserne“, heute als „Iron Man“ ein Held der Popkultur, gehörte zu den Comics, die ich nicht chronologisch und gründlich lesen konnte. Seine eigene Heftserie wurde rasch wieder eingestellt, und von da an fanden sich seine Abenteuer halbiert im hinteren Teil der Reihe „Die ruhmreichen Rächer“ wieder, um das Heft als Füllmaterial auf 32 Seiten zu bringen.
Weitere Unbillen standen zwischen mir und dem „goldenen Rächer“: Taschengeldmangel, das Nielsen-Prinzip (ein vor allem für süddeutsche und Berliner Fans leserfeindliches Zeitschriften-Vertriebsprinzip, das auch die Marvel Comics betraf) und natürlich mein Zuspätkommen (die ersten Marvels hatte mir mein großer Bruder überlassen, als es mit ihrem Erscheinen in der alten BRD schon wieder zuendeging).
Auf diese Weise hatte ich nicht nur Wissenslücken bei „Iron Man“, sondern auch bei seinem Personal.
Tony Starks Chauffeur war eine komische Nebenfigur namens Happy Hogan. Er übernahm ihn in dieser Funktion von einem Gangster, den er in einer frühen Ausgabe zur Strecke gebracht hatte und hatte sich über seinen Anstand und seine Loyalität später nicht zu beklagen.
Hogan hatte herabhängende Posaunistenbacken mit noch tiefer gelegten Mundwinkeln. Er wurde oft auf seine Muffigkeit angesprochen, stritt aber immer alles ab und beteuerte, so sehe er nunmal aus, wenn es ihm richtig gut ginge: „Sie sollten mich mal sehen, wenn ich schlechte Laune habe!“
Er kam nicht eben als stattliche Erscheinung daher, besonders wenn sein schillernder Chef mit im Bild war.
Ich hatte mal wieder einige Folgen versäumt, als ich mitten in ein mehrteiliges Abenteuer hineingeriet, bei dem mir als erstes auffiel, dass der Zeichner gewechselt hatte. Gene Colan war nun im Amt, eine ewige Marvel-Spitzenkraft.
Die Geschichte sprach mich sofort an. Ein in Bettlaken gehüllter Mutant trieb sein Unwesen. Er erinnerte mich an den Riesen Ruk, der in einer spannenden „Raumschiff Enterprise“-Folge Captain Kirk nach dem Leben trachtete. Nach ein paar Seiten bekam ich mit, dass es sich bei dem Mutanten um Happy Hogan handelte, den eine Strahlendosis in dieses Ungetüm verwandelt hatte.
Als er davon kuriert war, erkannte ich Happy nicht wieder, so fabelhaft sah er auf einmal aus. Er war derart sexy, dass seine Wandlung mit einer Ernährungsumstellung nicht zu erklären war, zumal auch seine drollige miese Laune nicht mehr zu sehen war.
Ganz offensichtlich war der Charakter umgestaltet worden, wie es zuweilen geschieht, wenn der ausführende Künstler wechselt – wenn auch selten so umfassend.
Gerade war ich im Kino, um mir „Deadpool & Wolverine“ anzuschauen. Nach einem etwas epigonalen Intro (das gleiche computergenerierte Schlitzer-Ballett, das wir von Quentin Tarantino und aus früheren Deadpool-Filmen kennen und dass im Laufe des Films noch ein dutzendmal stattfinden wird) sehen wir den Helden in einem Büro sitzen. Deadpool ist unmaskiert und absolviert als Wade ein Vorstellungsgespräch. Nach einer Weile wird mir klar, wer der Anzugträger hinter dem Schreibtisch ist: Happy Hogan. Er spricht von den „Avengers“ als von „uns“, eine Hybris, die ihm der freche Deadpool natürlich nicht durchgehen lässt. So oder so wird er als Bewerber zurückgewiesen.
„You just said you want the job because you need it. But they do the job because the people need them. You see the distinction?“ wird Wade von Happy belehrt. Die freche Antwort: „What’s your superpower? Parallel parking? Sorry, I lash out when I’m nervous …“.
Wie schon zuvor in den MCU-Filmen wird die Rolle von Jon Favreau gespielt.
Happy ist wieder so unsexy wie in seinen frühen Comic-Auftritten, aber nicht mehr so komisch (weil nicht mehr so muffig). Immerhin darf er mit seinen Dialogen für etwas Slapstick sorgen.