Endlich wiedergesehen: „Minority Report“

Rückblickend machen die 90er Jahre fast noch mehr Freude als in Echtzeit (fast!). Die Filme, die damals herauskamen, gehören zwar zur verderblichsten Ware der Popkultur, doch ein Teil davon machte immerhin bei der Erstsichtung Freude. Einiges wenige hat sich sogar gut gehalten, aber das sind große Ausnahmen.
„Minority Report“ wollte ich 2002 unbedingt sehen, obwohl der Tausendsassa Tom Cruise längst begonnen hatte, mir mit seinem immergleichen Mackergetue fürchterlich auf den Wecker zu gehen. Immerhin gab es darin aber auch Max von Sydow, und die computergenerierten Scheinwelten wechselten sich mit tatsächlich errichteten Dekorationen noch ab, was der Illusion die nötige latente Erdung verlieh.
Schon beim Kinobesuch störte mich dies und das, verdarb mir aber nicht das Vergnügen: Cruises affige Moves beim Bedienen der 3-D-Ganzkörper-Benutzeroberfläche waren schon immer irgendwas zwischen camp und cringe, und überhaupt nehmen sich alle viel zu ernst. Aber ich fühlte mich mitgerissen.

Beim Wiedersehen hatte sich an dieser Wahrnehmung der kleinen Mängel nichts für mich geändert. Umgekehrt funktionieren die Dinge jedoch nicht mehr, die mich seinerzeit bei der Stange hielten. Alle Figuren sind mir mindestens gleichgültig, wenn nicht sogar unsympathisch, die Atmosphäre bietet eine gewaltige Tristesse, die es nicht bis zur Melancholie hinaufschafft. Die Frage, warum ich mir das überhaupt anschaue, meldete sich so machtvoll und blieb derart unbeantwortet, dass ich nach einer halben Stunde entkräftet aufgab – und die Szene gar nicht mehr erlebte, auf die ich mich ein wenig gefreut hatte: das Abscannen der Insassen des gesamten Häuserblocks durch die Roboterspinnen.

Was war passiert? Ganz einfach: Steven Spielberg hat Regie geführt. Seine gewohnt tödlich dosierte Gefallsucht mischt sich hier mit dem Wunsch, uns eine Dystopie aufzufahren (heute würde man sagen: er will uns zeigen, dass er auch „düster“ kann). Doch dazu müsste er den Mut haben, das Publikum nicht nur mit dunklen Schattierungen anzugruseln, sondern es hin und wieder regelrecht vor den Kopf zu stoßen. Die Ergebnisse dieses aussichtslosen Spagatversuchs sind ohne den Gleichklang mit dem aktuellen Zeitgeist überhaupt nicht mehr auszuhalten.
Anders ausgedrückt: wegen des Autors und seiner Vorlage – Philip K. Dick – habe ich den Film damals konsumieren können, wegen seines Regisseurs kann ich es heute nicht mehr. Spielberg hat über das Buch gesiegt.

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