betr.: Sprechen am Mikrofon / Übung
Wann immer sich Ray Bradbury außerhalb der Science-Fiction betätigte, meinte man ihm die Freude darüber anzumerken, wie souverän er jederzeit aus seiner großen, offiziellen Schublade herauszusteigen in der Lage war. Seine große stilistische Leidenschaft pflegte er genreübergreifend: die kolossale Wandmalerei. Eine seiner berühmtesten Erzählungen, „Der illustrierte Mann“, könnte geradezu um die Schilderung herum entstanden sein, die Bradbury den Tätowierungen auf dem Körper des Helden widmet – und den Ideen, die sie in einem Betrachter auslösen, der die nötige Muße und Phantasie mitbringt.
In der Kurzgeschichte „Zur warmen Jahreszeit“ schildert der Autor das andere Extrem. Sein Gegenentwurf zu jener Hautverzierung, die man nicht mehr loswird, ist das Panoramabild, das der alte Picasso in den Meeresstrand kritzelt. Als er die letzten Figuren zeichnet, haben die Wellen die ersten längst wieder weggewischt.
Denn dort am flachen Ufer waren Bilder griechischer Löwen, mediterrane Ziegen, Mädchen mit Fleisch aus Sand wie Goldpuder, Satyrn, die auf handgeschnitzten Hörnern bliesen, und tanzende Kinder, die am Strand entlang Blumen streuten, von springenden Lämmern gefolgt, Musikanten, die zum Klang ihrer Harfen und Leiern hüpften, Einhörner, die Jünglingen nachjagten, auf ferne Wiesen zu, Tempelruinen und Vulkane.
Die Hand mit dem hölzernen Stift dieses Mannes, der sich in Fieber und Schweißregen vorbeugte, schrieb, knüpfte und schlang eine ununterbrochene Linie am Ufer entlang, herum, herüber und hinauf, quer darüber hin, hinein, hinaus, stockte, flüsterte, verharrte und eilte dann weiter, als müsste dieses wandelnde Bacchanal zu Ende gedeihen, bevor das Meer die Sonne ausgelöscht hatte.