Zum Geburtstag von Corny Littmann (74) und Olivia Jones (55)

Diese beiden Kollegen durfte ich Ende der 80er Jahre auf der Reeperbahn kennenlernen. Die weltberühmte Amüsiermeile befand sich in jenen Tagen in einer Krise, weil sich ein großer Teil ihrer bürgerlichen Laufkundschaft wegblieb, um sich die Pornos nun zuhause auf dem noch frischen Videorecorder anzuschauen.
Im Frühsommer 1988 stand das „Schmidt Theater“ vor der Eröffnung, ein wagemutiges Projekt zweier Künstler aus der schwulen Theatergruppe „Familie Schmidt“ und zwei befreundeten Gastronomen. Die Künstler waren Corny Littmann und Ernie Reinhardt*, die Eröffnungsshow würde „Sag‘ bitte, und ich sing“ heißen, Georgette Dee und Terry Truck würden das Quartett auf der Bühne komplettieren. Claus Vinçon führte Regie und war freilich auch Mitautor (das gehörte zum Service).
Ich durfte – zu Besuch in Hamburg – einer Hauptprobe dieses Programms beiwohnen. Es war eines der großartigsten Live-Erlebnisse, die mir bis dahin widerfahren waren, und ich bedaure, dass es davon keine Aufzeichnung gibt. Lediglich die Songs wurden aufgenommen und später (fast alle) auf einer Audiocassette an der Kasse verkauft …
Ein knappes Dreivierteljahr später: inzwischen wohnte ich in Hamburg, und zwar schräg gegenüber dem Theater auf der anderen Seite der Reeperbahn.
Das machte mich zu einem guten Einspringer, wenn die zunächst noch sehr verbummelte Künstlerschar, aus der sich die allnächtliche „Mitternachtsshow“ rekrutierte, mal nicht komplett zur Aufführung erschien. Ernie Reinhardt pflegte mich dann anzurufen und zu sagen: „Eine Transe hat sich das Bein gebrochen, magst du heute abend als Moderator aushelfen?“
Ich mochte immer, und meistens ließ es sich einrichten.
Eines nachts durfte ich Olivia Jones ansagen, die mit zwei Vollplaybacknummern (eine davon müsste „Als Hausfrau ist man immer auf der Wanderschaft“ gewesen sein) ihren ersten Auftritt im „Schmidt“ absolvierte. Auf Ernies Programmzettel stand: „Zwei Meter Travestie“.
Olivia war sehr nett und unprätentiös und nahm sich in ihrer Kunstfigur nicht so ernst wie es in der vorangegangenen Generation von Travestie-Künstlern verbreitet war. Die wirklich brillanten Vertreter parodierten den larmoyanten Gestus der übrigen, aber das waren verschwindend wenige, und sie waren auch nicht auf das für diesen Berufsstand typische Vollplayback festgelegt. Nun standen die fröhlichen 90er vor der Tür, und Olivia verkörperte einen neuen Ansatz.

Einen Abend mit Corny Littmann und Olivia Jones – sowas könnte heute kein Mensch mehr bezahlen. Es lebe die gute alte Zeit.
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* Siehe https://blog.montyarnold.com/2022/05/26/effi-effinghausen-4/

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