betr.: Hörbuch in der ARD Audiothek

Manfred Zapatka ist ein rarer Fall: ein guter Schauspieler, der ein ebensoguter Interpret von Hörbüchern ist.
Seine Lesung des Hardboiled-Detective-Kriminalromans „Der lange Abschied“ (1954) ist folgerichtig ein großes Vergnügen. Die Aufnahme (1993 vom SWF produziert) ist außerdem geeignet, all jenen, die den oft verfilmten Raymond Chandler nur in Form von Adaptionen kennen, eine Frage zu beantworten, die sich sicher viele schon insgeheim gestellt haben: sind all die coolen Sprüche bei atmosphärisch dichter, aber doch eher wirrer Handlung es wirklich wert, dass man den Autor noch immer als Klassiker handelt. Sie sind es!
Beim Anhören merkt man, wie schwer es gewesen sein muss, Chandler zu verfilmen. Was in den Filmen – auch in den guten – etwas erratisch und unzusammenhängend wirkt, entfaltet in der Ausführlichkeit der Vorlage (auch sie wurde für die Lesung etwas gekürzt) eine ausgetüftelte Dramaturgie. Jede Station von Philip Marlowes Ermittlungen, jedes Gespräch und jedes Ereignis lässt sich unter mehreren Gesichtspunkten betrachten. Die meisten Drehbuchautoren haben sich über die unvermeidlichen Kompressionsverluste ihrer Bearbeitung mit dem Bestreben hinweggetröstet, möglichst viele der schnodderigen Bemerkungen in den Dialog zu retten, die Marlowe Freund und Feind um die Ohren haut. Deren Wirkung ist im Originalzusammenhang freilich eine völlig andere. Robert Towne schafft es in seinem Originaldrehbuch für „Chinatown“ übrigens recht gut, diese Magie auf die Leinwand zu bannen.
Zu Beginn zeigt Manfred Zapatkas Vortrag alle Anzeichen einer Prima-Vista-Lesung auf stabiler handwerklicher Grundlage (minder schwere Betonungsfehler, lange Pausen zwischen den Sätzen, ein durchgehend tastender Vortrag), was sich aber bald legt. Zu diesem Zeitpunkt ist man der Geschichte längst verfallen.