Der Mann, mit dem die Musikkritik Schlitten fuhr

betr.: 50. Todestag von Leroy Anderson

Leroy Anderson hat einen unerreichten Ehrenplatz in der Popkultur. Sein Stil liegt zwischen der Musik von Henry Mancini – dem Schöpfer des bestgelaunten Sounds der zweiten Jahrhunderthälfte – und den derben Späßen von Spike Jones. Alle drei waren sie große Humoristen, was ohne Worte gar nicht so einfach ist.
Ihre Musik war einmal überall.
Während Mancinis Filmsongs und -themen ständig nachgespielt und umarrangiert wurden („Der rosarote Panther“ hat es in dieser Form bis in die berühmten Land-Jugenderinnerungen von Heinz Strunk geschafft …), tauchten Spike Jones‘ Gags und Geräuschaffekte in unzähligen Radiojingles auf (und tun das als Samples bis heute).
Leroy Andersons große Hits wiederum wurden vielfach zu Erkennungsmelodien. Sein „Typewriter“ ist zuerst von Jerry Lewis als Playback seiner populärsten Pantomime vereinnahmt worden (uraufgeführt in der Komödie „Who’s Minding The Store“) und dann wieder und wiederverwendet worden, etwa als Indikativ der Leserbriefrubrik von Radio Luxemburg (RTL) oder in der Fernsehserie „Büro, Büro“. „Sleigh Ride“ dürfte heute das wichtigste instrumentale Weihnachtslied überhaupt sein – und RTL nutzte auch dieses für seinen festtäglichen Veranstaltungskalender. Radio Luxemburg hatte überhaupt eine innige Beziehung zu Andersons Musik: „Belle Of The Ball“ war in den ersten zehn Jahren die Erkennungsmelodie des Senders, ehe James Last 1967 eigens „Happy Luxembourg“ komponierte.
Doch nicht nur in unseren Breiten wusste man Andersons signatorische Musik zu nutzen. „The Syncopated Clock“ wurde zur Titelmusik der „Late Show“ auf WCBS – und tauchte wie unzählige weitere Anderson-Tunes unentwegt in Soundtracks auf.

Außerhalb der schwierigen Kunst der Leichten Muse wurde es dem Komponisten schwer gemacht, da half ihm auch seine gute Beziehung zu Arthur Fiedler von den „Boston Pops“ nicht weiter. Sein Musical „Goldilocks“ (ich bin ein großer Fan des Cast-Recordings mit Don Ameche und Elaine Stritch) wird von der Nachwelt ignoriert und hatte in Noel Coward einen prominenten Verächter. Andersons Klavierkonzert floppte, und als es lange nach seinem Tode 1993 endlich wieder zur Aufführung kam, spendete der „Boston Globe“ ein Lob, das schlimmer ist als jeder aufrichtige Verriss: „Es ist ein betörendes, schönes und mitreißendes Stück, elegant und durchzogen von jazzigen Blue Notes. Das Konzert mag strukturelle Lücken haben, dennoch ist es heiter, liedhaft und absolut ehrlich.“  

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