Gute Songtexte sind meistens auf Englisch verfasst. Was auf den ersten Blick wie eine patriotische Nachlässigkeit wirkt, kann jeder selbst rasch nachprüfen: die meisten von uns subjektiv als gut empfundenen Liedtexte dürften aus der Popmusik stammen, über die wir uns immer gefreut haben, weil in der selben Zeit kein deutscher Schlager laufen konnte.
Aber zu meiner Verteidigung: eine der besten Zeilen, die ich kenne, kommt aus dem deutschen Schlager, Interpret: Bata Illic, Text: Günther Behrle. Die Titel- und Refrainzeile lautet: „Ich möcht‘ der Knopf an deiner Bluse sein. Dann könnt‘ ich nana-na-nananah bei deinem Herzen sein.“ Warum ist dieses Lied kein Hit geworden? Vielleicht weil diese Zeile die einzig gute ist – und die ist nicht mal ordentlich gereimt. Aber in Wahrheit: man weiß es einfach nicht. Der Song war nicht schlechter als andere, erfolgreichere.
Bei genial getexteten englischsprachigen Songs denke ich: das könnte von Noël Coward sein. Zwei Songs hätte ich sogar für Coward gehalten, wenn das sie umgebende Filmmusical dies nicht sogleich ausgeschlossen hätte: „A Lady Loves“ aus „I Love Melvin“ (Text: Mack Gordon) und „Once Upon A Time“ aus Anthony Newleys „Can Heironymus Merkin Ever Forget Mercy Humppe and Find True Happiness?“. Ein weiteres Musical (vom Broadway kommend und später verfilmt) ist hier unbedingt zu nennen: „Kismet“ mit den Texten von Wright & Forrest.
Der beste mir bekannte Songtexter, der zur Zeit auf Erden tätig ist, ist wiederum ein deutscher Kollege: Sebastian Krämer mit weitem Abstand vor allen anderen.
Für alles bisher Angeführte (außer dem Beispiel Bata Illic) gilt: auch musikalisch sind diese Sachen auffallend gut.
Einen objektiveren Analyseversuch wagt Ebba Durstewitz in der aktuellen „Wochentaz“, aus deren einschlägigem Artikel das Folgende entnommen ist.
Ein 1-a-Songtext ist rührend, elegant, auch lustig; leichtfüßig, dabei doch deep mit einem Hauch von Melancholie; dazu versetzt mit feinen Metaphern und angenehm unaufdringlichen Unter-, Neben- und Zwischenbedeutungen. [Wie gesagt: „Kismet“!]
Weiterhin lässt er noch etwas von der regellosen Unbekümmertheit ahnen, mit der er verfasst wurde. Er ist mit dem Vertrauen erdacht, dass Text und Musik sich schon finden werden und mich (die Autorin) überhaupt nicht bauchen.
Auch dass uns Nonsens-Texte oftmals so sehr ans Herz wachsen, ist entschlüsselbar. Dann regiert der Unsagbarkeitsmodus: „Yeah Yeah Yeah“ heißt es dann, und „Hopple-di-Pop“, „I caught sight of her rumpty-tump-tum“, „It goes up to the door with my rap-tap-tap“. „A woobob-a-loo-bop“, „Hmm-bob“, „Tutti frutti“, „Rama-lama-ding-dong“ und „Ri-Fol-the-Diddle all day“. In den Flegeljahren von Pop und Rock’n’Roll hatten diese Nonsense-Words oft eine konkrete, außertextliche Funktion: sie sollten vermeintliche Unanständigkeiten verschleiern. Man wollte schließlich im Radio gespielt werden.
Außerdem trösteten sie die (minderjährigen) Englisch-Nichtversteher, die trotzdem gern mitsangen, was im Radio gespielt wurde.
Ist das nicht toll? Und in der nächsten Folge sprechen wir darüber, was einen Songtext so richtig beschissen macht …