Die schönsten Filme, die ich kenne: „Dolores Claiborne“

Betr.: 77. Geburtstag von Kathy Bates

Wenn ich aus einem aktuellen Kinofilm herauskomme und aufrichtig begeistert bin, ist das kein gutes Zeichen für seinen Kassenerfolg. So war es auch hier, Mitte der 90er Jahre. „Dolores“ mag außerdem zum Verhängnis geworden sein, dass sowohl der Autor der Romanvorlage als auch seine Hauptdarstellerin dem Publikum einen Horrorfilm suggeriert haben, der aber nicht vorlag. Immerhin spielt der Film mit dieser Erwartung, wenn er einen kleinen jungen ausrufen lässt: „Na, Dolores? Heute schon jemanden umgebracht?“ – „Nein, Stevie. Aber wenn ich es mir anders überlege, weiß ich ja, mit wem ich anfange.“

Zweiundzwanzig Jahre lang hat Dolores Claiborne in einem Ostküstenstädtchen einer tyrannischen Millionärin den Haushalt geführt, ihre Bosheiten ertragen und die zuletzt Bettlägerige gepflegt. Als die alte Lady bei einem Treppensturz ums Leben kommt, wittert Detective John Mackey seine große Chance. Schon einmal hat er Mrs. Claiborne des Mordes überführen wollen und ist gescheitert: damals, als ihr Mann während einer Sonnenfinsternis mysteriös verunglückte. Der darauffolgende Freispruch prangt seither als Schandfleck auf Mackeys ansonsten makelloser Mord-Aufklärungsrate. Mithilfe ihrer entfremdeten Tochter Selena will er nun Rache üben und Dolores endlich hinter Gitter bringen. Selena ist aus New York angereist, um ihre Mutter widerwillig zu unterstützen: sie hält sie ebenfalls für die Mörderin ihres Vaters. (Und auch wir im Kinosessel werden dazu motiviert.) Doch die Wahrheit viel verzwickter …  

Nachdem Kathy Bates als irre Krankenschwester für „Misery“ den wohlverdienten Oscar bekommen hatte, schien es eine gute Idee, sie in diesem Film eine weitere StephenKing-Hauptfigur spielen zu lassen. Das Ergebnis verpuffte so kläglich an der Kinokasse, dass Bates von nun an nur noch Nebenrollen spielen durfte. Ihre Leistungen waren unabhängig vom jeweiligen Produkt stets fulminant – und ein Beleg dafür, dass im Kino inzwischen eine neue Ära angebrochen war: eine, in der Qualität einer großen Karriere eher hinderlich ist.  
Die mollige, nach landläufigen Gesichtspunkten unattraktive Schauspielerin mit dem enormen Charisma erwies sich als unverwüstlich. Sie spielte wacker ihre kleineren Rollen, führte Regie und durfte solcherart noch an einigem erfolgreichen Edelschrott („Titanic“, „American Horror Story“), beachtlichem Durchschnitt („Diabolisch“) und an wirklichen Großtaten der Entertainment-Kunst („Six Feet Under“, „Zeiten des Aufruhrs“, „About Schmidt“) teilhaben. In Regina Lemnitz fand Bates eine feste Synchronstimme, die ihre Vorzüge auch in der deutschen Fassung bewahrt.

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