Hello Again, Sweet Charlotte

betr.: Veröffentlichung des Films „Hush…Hush, Sweet Charlotte“ als deutsche DVD

Anfang der 60er Jahre gab es ihn natürlich auch schon in Hollywood, diesen heute besonders verbreiteten Reflex, einen wahnsinn’jen Erfolch wiederholen zu wollen. Zum Beispiel, indem man etwas in dieser Art mit einer ähnlichen Besetzung nachlegt.
Zur Erinnerung: die Rivalität zwischen den beiden gealterten 30er-Jahre-Diven Joan Crawford und Bette Davis hatte in einem hochamüsanten Neo-Gruselschocker namens „Whatever Happened To Baby Jane?“ Gestalt angenommen.* Das Publikum freute sich über diesen sadistischen Slapstick, und Bette Davis startete in eine Alterskarriere ohne jede falsche Eitelkeit. (Joan Crawford versuchte es unterdessen mit falscher Eitelkeit …)
Regisseur Robert Aldrich wäre nie auf die Idee gekommen, den Hit mit einer „The Return“-Fortsetzung auszubeuten, zumal die Sache ja auch an ein sehr sinniges Ende gekommen war. Auch gegen eine neue Geschichte unter sehr ähnlichen Vorzeichen hatte er grundsätzlich nichts einzuwenden, doch er wollte „kein Hitchcock in mittleren Jahren werden“, wie er es etwas unsauber ausdrückte. Für seinen Geschmack hätte nach „Baby Jane“ erst einmal etwas völlig anderes kommen können – und in der Tat erschien ja zunächst seine Rat Pack-Klamotte „4 For Texas“.**

Aber auch Robert Aldrich werden die Finger gejuckt haben, als sein Autor mit dem Arbeitstitel „Whatever Happened to Cousin Charlotte?“ auf ihn zukam und auch Bette Davis sehr interessiert war. (Außerdem ließ sich auch Victor Buono für eine kleine Rolle gewinnen, und Frank DeVol besorgte wieder Soundtrack und Titelsong, aber das nur am Rande). So fand er es kleinlich, nur aus Prinzip mit der Sache zu warten, und ging ans Werk.
Insgesamt ist das Ergebnis „Hush … Hush, Sweet Charlotte“ kein solches Juwel wie „Baby Jane“, doch auch wir wollen nicht kleinlich sein. Der Film verfügt hinsichtlich der Besetzung sogar über ein paar Vorzüge.
Einer davon ist die wie üblich völlig hemmungslose Agnes Moorehead, die für ihre zauselige Velma den Nebenrollen-Oscar einheimste. Der brave Joseph Cotten darf einen seiner gelegentlichen Ausflüge ins abgründige Fach machen, was erneut ein großes Vergnügen ist. Doch am höchsten zu preisen ist große Olivia de Havilland (heute 103 Jahre alt), die vermutlich am schimpflichsten unterschätzte Charakterschauspielerin ihrer Generation (wenn nicht darüber hinaus). Obwohl Aldrich fürchtete, dem kommerziellen Erfolg des Films mit ihrer Verpflichtung zu schaden (!), brachte er sie gern zum Einsatz, weil er sich über ihre Qualitäten im Klaren war. „Crawford war Crawford und sehr gut, aber sie hätte dieser Art von Rolle nie die Nuancen verleihen können, zu denen de Havilland fähig war.“ Er hatte sogar noch ein generelleres Lob für sie übrig: „Wenn de Havilland aus dem Taxi steigt, können wir nicht mit Sicherheit sagen, ob es der Butler war. Wenn sonst jemand aus dem Taxi steigt, weiß man gleich, dass es der Butler war, und die Geschichte ist zu Ende!“

Seit ich den Film vor ungefähr 30 Jahren auf Video aufgenommen habe, habe ich ihn nicht mehr gesehen. (Die Qualität ist nicht besonders gut, und im Fernsehen lief er ewig nicht.) Ich freue mich darauf!
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* Siehe dazu https://blog.montyarnold.com/2018/12/14/die-schoensten-filme-die-ich-kenne-87-was-geschah-wirklich-mit-baby-jane/
** Näheres zum viel besseren letzten Film des Rat Pack unter https://blog.montyarnold.com/2019/06/12/13595/

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