betr.: 298. Todestag von Maria Sibylla Merian
Dem russisch-amerikanischen Schriftsteller Vladimir Nabokov verdanken wir bekanntlich den seinerzeitigen Skandalroman und heutigen Klassiker „Lolita“ (1955 veröffentlicht). Der Name seiner Titelheldin ist in den Sprachgebrauch übergegangen – als Bezeichnung für eine aufreizende Kindfrau. Im Roman ist diese 12 Jahre alt.
Nabokov selbst hat sich schon früh mit Sexualität auseinandergesetzt. Im Kindesalter fand er auf dem Dachboden des elterlichen Stadtpalais einen Bildband von Maria Sibylla Merian. Dieses im frühen 18. Jahrhundert entstandene Werk der größten deutschen Zeichnerin und Naturforscherin gewährte u.a. einen Einblick ins Innere eines Kokons, in dem sich die Verwandlung von der Raupe zum Schmetterling abspielt. Die Folge dieser Lektüre war eine lebenslange Faszination des Knaben für Schmetterlinge. Die Odyssee seiner Helden Lolita und Humbert Humbert hat Nabokov selbst abgefahren, und in all diesen Gegenden der Vereinigten Staaten fing und untersuchte er Schmetterlinge. Wer diese klassifizieren will, muß sich mit ihren Genitalien beschäftigen, denn an diesen im Hinterleib der Männchen gelegenen Organen erkennt der Fachmann die jeweilige Gattung.
Wie man sich denken kann, sind diese Organe winzig, und angeblich hat sie sich Vladimir Nabokov eine Zeitlang sieben mal pro Woche sechs Stunden lang genau angesehen.
Damit war er seiner großen Inspiratorin, der Maria Sibylla Merian, recht nahe. Auch sie hat sich nicht geschont, um ihren Forscherdrang zu befriedigen. Als erste interessierte sie sich für den Ursprung und die Fortpflanzung der Schmetterlinge und scheute nicht die mühsame Reise in die feuchten Urwälder des südamerikanischen Surinam, um der Sache auf den Grund zu gehen. Ihre Forschungsergebnisse sind bis heute gültig – u.a. nahm sie die Einteilung der Schmetterlinge in Tag- und Nachtfalter vor. Maria Sibylla Merian erkrankte auf ihrer Reise an Malaria und mußte nach zwei Jahren in ihre Wahlheimat Amsterdam zurückkehren.
Auch Nabokov zahlte einen Preis für seine Erkenntnislust, wenn auch keinen ganz so hohen: er hat sich bei der hingebungsvollen Untersuchung der mikroskopisch kleinen Hinterteile seiner Lieblingstiere die Augen verdorben.