betr.: „The Lego Batman Movie“ / kurze Sittengeschichte der Arbeitskleidung für Superhelden
Comic-Sammler und –Spezialist Gerhard Förster gab vor einigen Jahren zu, eigentlich stünde er „gar nicht auf dehnbare, entflammbare und unsichtbare Menschen. Ich mag auch keine Ansammlungen von Paradiesvögeln in Strumpfhosen. (…) Doch das Genie Jack Kirby schaffte es mit links, mich umzudrehen.“ Kirby war sich des Problems bewusst. Als seine „Fantastischen Vier“ kurz nach ihrer Mutation durch kosmische Strahlung ihre neuen Kostüme anprobieren, ist einer von ihnen – Ben Grimm, das „Ding“ – gar nicht begeistert. Schon beim nächsten Kampfeinsatz reißt er sich den Fetzen wieder vom Leib. Künftig wird er nur einen blauen Schlüpfer tragen, eine Art Bikini-Version der Uniform seiner Kollegen.
Kirbys Chef Stan Lee war, auch wenn es um das Privatleben seiner Figuren ging, ein modebewusster Comic-Autor. „Spider-Man“-Zeichner John Romita erzählt: „Er wollte, dass wir die Figuren nach der gängigen Mode kleiden. Junge Männer sollten das tragen, was junge Männer tragen, wenn sie zur Schule oder zur Arbeit gehen. Er sagte: ‚Das Schlimmste ist, wenn es wie ein zehn Jahre alter Comic aussieht!’“
In gezeichneter Form gelang das Kunststück, erwachsene Männer im Superheldenkostüm irgendwie halbwegs vernünftig aussehen zu lassen. Dass der Betrachter bereit ist, das mitzuspielen, ist aber keine Selbstverständlichkeit. Der Zeichner Neal Adams trifft vor allem im Gespräch mit Europäern immer wieder auf die eingangs beschriebenen Vorbehalte. Dann pflegt er zu sagen: „Darum geht es bei den Superhelden: sie wenden sich an das Kind in dir, das einen Helden sucht. (…) Wenn er Muskeln hat, möchtest du auch Muskeln haben. Wenn das Mädchen Brüste hat und eine tolle Figur, dann gefällt dir das! Und wenn du das nicht zugibst, dann lügst du!“
Es mag mit diesem (un-)modischen Aspekt zu tun haben, dass es vor allem Jungs sind, die Comics mögen. („Wonder Woman“ wirkt auf mich zwar ein wenig extravagant, aber von französischen Modeschöpfern wurde der Damenwelt im Laufe der Zeit weitaus mehr zugemutet.)
Was auf dem Papier also leidlich funktioniert, ließ sich im Leben lange Zeit nicht nachschneidern. Und es waren vor allem wiederum Jungs, die diesen Effekt auszubaden hatten. Wann immer ein tatsächlich existierender Mensch sich als Super- bzw. Weltraumheld verkleidete, war es mit seiner Würde und Respektabilität augenblicklich vorbei, und auch die Linien sahen weniger athletisch aus. Einer der ersten dürfte Buster Crabbe gewesen sein, der im frühen Tonfilm in der Kinoserie „Flash Gordon“ auftrat und sich noch fürchterlich ernst nahm.
Gut 30 Jahre später versuchte man in der Technicolor-bunten Film- und TV-Version von „Batman“ gar nicht erst, aus Adam West einen „dunklen Ritter“ zu machen, und so feiert er mit seinen durchweg drolligen Feinden eine Art Kindergeburtstag. (Möglicherweise unbewusst knüpft der „Batman“ in „The Lego Batman Movie“ an diese Tradition an.)
Ebenfalls in den 60er Jahren trat der erste wirklich erfolgreiche Leinwand-Superheld in Erscheinung, und der trug konsequenterweise schon aus berufsbedingter Diskretion einen Anzug: James Bond.
Im Comic näht sich der Student Peter Parker sein Spider-Man-Kostüm selbst – wo sonst sollte er es auch hernehmen? Das sieht auf den Zeichnungen halbwegs überzeugend aus. Auch in der amerikanischen TV-Version, die ab 1977 bei uns im Kino zu sehen war, geht die Montur des „Spinnenmenschen“ mit viel gutem Willen noch als handgemacht durch, lässt aber den drahtigen Look der Zeichnungen vermissen. Erst der Spider-Man der Kinoversion von 2002 ist cool und sexy. Der technische Fortschritt (Licht, Kostüm und CGI) macht’s möglich, dass auch seine Muskulatur endlich zur Geltung kommt. Zu glauben, dass der Junge dieses Outfit in der Wohnung seiner alten Tante in Heimarbeit gefertigt haben soll, ist aber selbst in einem Marvel-Film ziemlich viel verlangt.
Das Kostüm sah noch aus wie selbstgemacht – wie es in der literarischen Vorlage stand: Nicholas Hammond in seinem dritten und letzten „Spider-Man“-Film (bei uns der zweite). In Heftform hieß der Protagonist damals noch „Die Spinne“. Die Kino-Umschnitte der amerikanischen TV-Serie waren für den schottischen Markt hergestellt worden.
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Doch allem Fortschritt zum Trotz fühlen sich manche Schauspieler noch heute nicht wohl in ihrer Arbeitskleidung. Der frischgebackene „Doctor Strange“ Benedict Cumberbatch erzählte der „Süddeutschen“: „Als ich das erste Mal in der kompletten Montur mit Umhang vor dem Spiegel stand, war ich total perplex, weil es so absurd aussah, dass ich mir nicht vorstellen konnte, wochenlang so rumzulaufen.“ Und damit war er nicht allein. Cumberbatch weiter: „Mein Kostümbildner musste ziemlich lachen und meinte: Ha, du hast deinen Superhelden-Moment. Das geht allen Schauspielern so, wenn sie das erste Mal ihr Cape anhaben. Das legt sich! – Wenn man dann im Umhang auf der Fifth Avenue steht, fühlt es sich immer noch komisch an.“
Und es ist nicht ungefährlich. Seit Stan Lee und den Marvels wissen wir, dass man sich in diesen Klamotten auch schon mal eine Erkältung holen kann.