Sunken Rhapsodies – Konzertmusik für das Kino (3): „The Lost Moment“

betr.: 71. Jahrestag der Premiere von „The Lost Moment“

Das romantische Schauer-Drama „The Lost Moment“ erzählt vom jungen New Yorker Verleger Lewis Venable, der um die Jahrhundertwende nach Venedig reist, um die Liebesbriefe des lange verstorbenen, aber immer noch berühmten Dichters Jeffrey Ashton an sich zu bringen. Er erfährt von einem Bekannten, dem erfolglosen Dichter Charles, dass die Adressatin der Briefe immer noch lebt: die inzwischen 105jährige Juliana Borderau. Unter falschem Namen und ohne seine Absichten preiszugeben, quartiert sich Venable als Untermieter bei Juliana und ihrer Großnichte, der Pianistin Tina ein. Nach und nach blickt er hinter die finsteren Geheimnisse des heruntergekommenen Gemäuers …

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Die 1992 erschienene US-Laserdisc von „The Lost Moment“. Die 1985 für den NDR entstandene Synchronfassung „Briefe aus dem Jenseits“ ist auf DVD zu haben.

Der gebürtige Russe Daniele Amfitheatrof hatte sein Studium in St. Petersburg und Rom absolviert und war als Konzertpianist in Europa erfolgreich. Sogar einen Soundtrack hatte er schon 1934 für Max Ophüls geschrieben, als er fünf Jahre später in Hollywood eintraf. Er wurde von MGM unter Vertrag genommen und zunächst in einigen Kriegsfilmen sowie in den Serien des Studios eingesetzt – so in „Dr. Kildare“ und den „Andy Hardy“-Filmen. Disney lieh ihn sich aus für die Realfilmsequenzen von „Song Of The South“ (der sich gegenwärtig im Giftschrank befindet) und erntete damit eine Oscarnominierung.  In seinen letzten Jahren in Hollywood wurde Amfitheatrof zum Western-Spezialisten und kehrte schließlich 1959 nach Italien zurück. Bis zu seinem Tod 1983 widmete er sich in Rom und Venedig einer Reihe unverwirklichter Vorhaben.

In der Amfitheatrofs Musik für „The Lost Moment“ liegt eine gewisse Ironie: im Film werden zwei Kunstwerke heraufbeschworen, die es eigentlich nicht gibt. Da sind zum einen die unsagbar herzbewegenden Briefe an die greise Juliana, von denen wir nichts zu lesen oder zu hören bekommen werden. Da ist weiterhin Tinas sphärische Klaviermusik, die den Helden durch die Dunkelheit lenkt – und die wiederum dürfen wir hören, da sich im Tonfilm nicht die Möglichkeit bietet, sie uns zu verschweigen. Somit muss die Musik gewissermaßen die Magie der ungesagten Worte mit übernehmen – und das tut sie mit Bravour.
Dies ist eine Rekonstruktion des Klavierkonzertes aus „The Lost Moment“, aus der fast alle Dialogpassagen entfernt werden konnten.

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