Was ist der Unterschied zwischen Stummfilmmusik und Tonfilmmusik?

Mit dem Begriff „Filmmusik“ meinen wir die des Tonfilms; geht es um Stummfilm, wird es durch die entsprechende Vorsilbe kenntlich gemacht.
In der Filmmusik bietet es sich an, die Ereignisse auf der Leinwand (idealerweise unauffällig) zu illustrieren, sie zu „untermalen“. Auch in dialogfreien Situationen verarbeiten wir als Publikum gern eine Musikspur, die sich nach dem Gesehenen richtet. Als reines Hörerlebnis verstößt solche Musik gegen die Hörgewohnheiten der meisten Menschen (und hat eine entsprechend kleine aber leidenschaftliche Fangemeinde).

Stummfilmmusik funktioniert völlig anders. Sie darf / sollte sich Zeit nehmen, ihr Themenmaterial auszuspielen, was sie weitaus gehörgängiger macht. Dieses Material sollte zwar dem Temperament der Bilder entsprechen, sich aber ansonsten nicht von den Details der Handlung stören lassen. Schon bei der Begleitung des noch stummen Films vor 1930 haben die Musiker gerne mit existierenden Stücken gearbeitet, die dann erstaunlich gut zu den unabhängig von ihnen erschaffenen Szenen passten.

Diese Regel bewahrheitete sich bei den Pionieren und Klassikern der Stummfilmmusik, die in der Tonfilmzeit für den Stummfilm komponierten (allen voran Charles Chaplin) sowie bei ihren Nachfolgern und Epigonen (vor allem: Carl Davis im ernsten, Fred Strittmatter im heiteren Fach).
Diese Regel erweist sich gerade auch im Falle ihrer Missachtung als richtig.
Kürzlich wohnte ich in einem Konzertsaal einem Stummfilmkonzert bei, in dem zwei kurze Komödien mit Laurel & Hardy von großem Orchester begleitet wurden. Wir hörten die dafür eigens komponierte Musik eines jungen Künstlers.
Diese Musik betrieb „Mickymousing“, d.h. sie illustrierte jede Bewegung im Bild, wie es dem Tonfilm besser zu Gesicht steht, und ging niemals ins Ohr. Das wirkte nicht nur anstrengend und prätentiös, es führte beinahe zwangsläufig zu einem weiteren Problem: schon die kleinen Slapstick-Plänkeleien zu Beginn der Geschichte – gerade Laurel und Hardy sind ja Meister der langsamen Eskalation einer Konfliktsituation – waren so aus-orcherstriert, das es keine Steigerungsmöglichkeit mehr gab, als es gegen Ende richtig zur Sache ging.
Die TV-Bearbeitung der gleichen Filme mit der Musik von Fred Strittmatter funktionierte tadellos. Und sie ließ sich schon nach wenigen Takten mitsingen.

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