Geschichte des Komiker-Handwerks (7)

Fortsetzung vom 31.3.2020

Die Atmosphäre und die typischen Zutaten einer Vaudeville-Show sind in zahlreichen britischen und amerikanischen Filmen zu erleben, die die Entertainmentkultur der Jahrhundertwende beleuchten, so in vielen Filmmusicals und Künstlerbiographien. Viele frühe Filmstars hatten schließlich in dieser Welt ihre Lehrjahre durchlaufen. Ihr prominentester Vertreter Charles Chaplin widmete dem Thema sein bedeutendstes Alterswerk: „Limelight“ („Rampenlicht“).
Ursprünglich, im 19. Jahrhundert, und ehe es eine kommerzielle Zähmung durchlief, war das Vaudeville eine denkbar harte Schule. Das Publikum war überaus undiszipliniert (wenn es nicht durch den Vortrag in Bann geschlagen wurde) und machte seinem Unmut durch Störgeräusche und Wurfgeschosse Luft. Ein versagender Act, der sich nicht freiwillig zurückzog, wurde vom Inspizienten mit dem berühmten Haken von der Bühne geangelt.
Eine Kapelle im Orchestergraben begleitete und umrahmte das gesamte Programm, die auf wenige Minuten befristeten Vorträge wurden auf einer Staffelei am Bühnenrand auf Schildern verkündet und per Tusch begrüßt.
Im Saal war beständiges Kommen und Gehen, die Bewirtung erfolgte durchgehend. Dennoch folgte der Ablauf noch heute einleuchtenden Überlegungen: das bunt und zusammenhanglos gemischte Programm aus Sängern, Tänzern, kleineren Zirkusnummern, Illusionisten (Zauberer, Gedankenleser, Hypnotiseure) und Komikern begann gern mit einer Tiernummer, einer Pantomime oder etwas Akrobatischem, um dem ankommenden Publikum die Möglichkeit zu geben, die Unruhe abklingen zu lassen. Dann folgte das schöngeistige oder inhaltlich fordernde Material: ein gediegenerer musikalischer Vortrag (eine Operettenarie …) oder ein Komiker.
Laut Klischee ist der Vaudeville-Komiker (der auch im Duo auftreten konnte) ein Überbringer schlechter Pointen.
Eine ganze Generation von Fernsehzuschauern lernte dieses Berufsbild hierzulande ab 1980 durch Fozzie Bär kennen, den notorisch glücklosen Witzeerzähler in der „Muppet Show“, die aus einem Vaudeville-Theater „übertragen“ wurde. Conférencier Kermit pries ihn unverdrossen euphemistisch an („Hier kommt er, der Mann aus dem komischen Untergrund!“), als Dekoration sah man das für diese Kultur typische Gemälde einer städtischen Idylle (in Fozzies Fall den Eingang zum Stadtpark). Trotz der versemmelten Witze des Bären gab es was zu lachen: das auslösende komische Element oblag den zwei bösartigen alten Abonnenten aus der Loge.

Prompt folgten in den 80er Jahren viele Alleinunterhalter uneingestandenerweise (vielleicht auch unbewusst) dieser Fozzie-Bär-Tradition, indem sie ihre offensichtlich miesen Kalauer als Absicht und nach dem Motto ausgeben: „so doof, dass es schon wieder lustig ist“. Der deutsche Comedy-Boom Anfang der 90er bremste durch ein neues Selbstverständnis dieses Phänomen ein wenig aus.

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Essay „Humor Omnia Vicit“.

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