Fortsetzung vom 7. Mai 2021
In der Zeit des Studiosystems wurden die großen Produktionsstätten von eingewanderten Juden oder deren Söhnen gegründet und geleitet: Louis B. Mayer, Marcus Loew, Adolph Zukor, Wiliam Fox, Carl Laemmle, die Warner Brothers und Harry Cohn. Zumeist waren diese Männer liberal-demokratisch oder sozialistisch eingestellt und befürworteten durchaus die Forderungen unterdrückter Minderheiten. Louis B. Mayer, den Chef von MGM, hatte es als Dreijährigen ins kanadische St. John, New Brunswick verschlagen, wo er als Sohn eines russisch-jüdischen Vaters in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs und üblen Diskriminierungen ausgesetzt war. Doch das schlug sich nicht auf seine Programmpolitik nieder. Wie die übrigen Studiobosse wollte er an seinem Patriotismus niemals einen Zweifel aufkommen lassen. So wurde bis in die späten 40er Jahre hinein – nachdem im Zweiten Weltkrieg afroamerikanische Soldaten in gesonderten Einheiten gekämpft hatten und unzählige europäische Juden in Konzentrationslagern umgebracht worden waren – kein anständig budgetierter Film hergestellt, der Antisemitismus oder Rassismus offen angeklagt hätte. Die Devise lautete: „Wenn du eine Botschaft hast, schick sie mit der Post.“*
Die Botschaft, die auf diese Weise beim, Publikum ankam, lautete: Amerikaner leben, wie der jugendliche Serienheld Andy Hardy. Es sind weiße Protestanten in Kleinstädten, in gemütlichen, geräumigen Häusern mit schwarzen Bediensteten. Manchmal gehen diese Bürger in einen Nachtclub in der großen Stadt, wo sie auf italienische oder irische Gangster treffen. Und selbst wenn es einem attraktiven spanischen Tänzer einfallen sollte, die amerikanischen Moralvorstellungen infrage zu stellen, wird es ihm nicht gelingen, sie wirklich zu untergraben. Sogar das Depressions-Meisterwerk „The Grapes of Wrath“ von John Ford (20th Century Fox 1940) nach dem Roman von John Steinbeck bildete lediglich die wirtschaftliche Not weißer Amerikaner ab, nicht die von Afroamerikanern, Asiaten oder Latinos. (Der Sammelbegriff „Einwanderer“ verbietet sich hier, da die US-amerikanische Gesellschaft aus lauter Ausländern und deren Nachkommen bestand und besteht.)
Als Hattie McDaniel für ihre Darstellung in „Gone With The Wind“ (1939) einen Oscar bekam, wurde sie von ihren Leuten dafür kritisiert, das Klischee der schwarzen Hausdienerin weiter verfestigt zu haben. (Alles andere wäre in einem Film über den Sezessionskrieg auch absurd gewesen.) Sie soll geantwortet haben: „Ich spiele lieber für 10.000 Dollar eine Haushälterin als für zehn Dollar wirklich eine zu sein.“
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* Ähnlich verhielt es sich auch im Deutschen Fernsehen, siehe https://blog.montyarnold.com/2015/05/06/bin-so-germanisch-depressiv/