Helikopter-Mutti der Nation

betr.: 11. Todestag von Witta Pohl (gestern)

Weder die ZDF-Serie „Diese Drombuschs“ (1982-94) noch ihr fulminanter Erfolg beim deutschen Publikum lassen sich mit unseren heutigen Begriffen von „Serie“ oder „Serienkonsum“ noch fassen. Schon zu seiner Zeit verstieß das Format gegen alle Sehgewohnheiten. Zum Jahreswechsel gab es jeweils einige spielfilmlange Folgen, die die Erlebnisse einer Darmstädter Familie erzählten. Es ging betont alltäglich zu, es wurde geheiratet, gebaut, sich mit Ämtern herumgeärgert und – zum Ende hin zunehmend – verunglückt, gestorben, sogar abgefackelt. Der Showrunner Robert Stromberger beschrieb es so: „Hier geht es nicht um Seifenblasenprobleme, sondern darum, wie das Leben wirklich ist!“
Außerdem wurde sehr viel geredet. Die Diskussionen waren nicht als Schlagabtausch angelegt, sie gliederten sich in regelrechte Traktate, deren wichtigste Interpretin Mutter Drombusch war, die alle Umbesetzungen und Serientode bis zuletzt überstand (ihr von Hans-Peter Korff gespielter Ehemann floh nach wenigen 13 Folgen aus seiner Rolle). Die große Predigerin Vera Drombusch wurde von Witta Pohl gespielt, einer Eppendorfer Fernsehtragödin, die zeitweise als Nachfolgerin von Inge Meysel (auch sie eine Stromberger-Heroine) als „Mutter der Nation“ betrachtet wurde.

Witta Pohl liegt mir sehr am Herzen. Sie war früher eine Heldin meiner Parodien und wird heute im Unterricht regelmäßig beschworen – wenn auch nicht als Vorbild im eigentlichen Sinne.*
Das Image der Helikopter-Mutti durchwehte (lange vor der Prägung dieses Begriffs) all ihre späteren Engagements. Sie spielte eine Hebamme, eine Gerichtsreporterin, hatte immer wieder mit der Polizei zu tun („Der Alte“). Gleich nach dem Ende der „Drombuschs“ warb Witta Pohl für ein Waschmittel, und wie nahtlos und folgerichtig sich das anfühlte, war das eigentlich Irritierende daran.
„Egal, was ich spiele“, bekannte sie einmal, „ich bleibe immer Witta Pohl!“
Als Dieter Wedel sie in einer großen Boulevardzeitung ermahnte, den guten Menschen der Nation nicht auch immerfort im Privatleben zu spielen, weil das ihr Rollenprofil einenge, sagte sie dem gleichen Blatt: „Ich weiß, dass ich nichts Böses will, verstehe aber auch, dass man den Leuten mit ewiger Güte auch auf die Nerven gehen kann.“ Herr Wedel war der Schauspielerin auf den Leim gegangen (Chapeau!). Er ahnte nicht, dass die Gute durchaus Haare auf den Zähnen hatte. Als Schauspieldozentin ließ sie mehrere junge Kollegen durchfallen, weil sie die Frage nicht beantworten konnten, wem das Denkmal auf dem Hamburger Gänsemarkt gewidmet ist (nämlich Gotthold Ephraim Lessing). „So geht es nicht!“ pflegte sie sich zu entrüsten.

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