Loriot feiern – aber richtig!

betr.: der 100. Geburtstag von Loriot – und wie die alten Medien ihn feiern

Obwohl er nicht mein ganz persönlicher Humor-Spitzenreiter ist, verehre ich Loriot doch so sehr, dass ich die Ehrungen mitnehme, die Print, Funk und Fernsehen dieser Tage zu seinem 100. auffahren. Meine Verehrung geht sogar so weit, dass ich die große ARD-Gala unbedingt auslasse, denn was gibt es dort schon zu sehen? Dasselbe wie allen vergleichbaren „Würdigungen“: da setzen sich wild- und fachfremde Promi-Nasen in Szene, die hinsichtlich des Themas genauso schlau sind wie ich. Und in den Einspielern dazwischen hängt mal wieder das Bild schief, saugt und bläst der Heinzelmann und war früher mehr Lametta – und das in Form winziger Filmschnipsel, die oben und unten abgesägt werden, damit sie ins Breitbild passen und die mit Logos zugekleistert werden (da lasse ich die Hotelbadewanne, aus der die Ente draußen bleibt, doch lieber mit meinen eigenen Loriot-DVDs  volllaufen) – kurzum: ein Umgang mit Loriot wie er respektloser und unersprießlicher nicht sein könnte und der keinen einzigen Erkenntnisgewinn bereithält. Das ist angesichts der prall gefüllten Archive, in denen sich Interviews mit dem echten Loriot geradezu stapeln, unbegreiflich. Zumal man ja beides senden könnte …

Umso sorgfältiger höre ich mir das Radioprogramm zum Thema an. Schon zu Loriots Lebzeiten und anlässlich seiner vielen runden Geburtstage war es eine große Herausforderung, eine Sendung zu seinen Ehren zu füllen, ohne die immergleichen Auszüge aus seinen Klassiker-Miniaturen allzu offensichtlich zu wiederholen. Vermeiden lässt sich solcherlei nicht, kann aber mehr oder weniger geschickt geschehen.
Hier will ich den Vierteiler (zu je 25 Minuten) des Kultursenders Ö1 hervorheben, der aus dem Powerplay-Problem das Beste macht und dessen gebetene Gäste und Zeitzeugen für mein bundesrepublikanisches Ohr etwas Frisches hatten: „Loriot – Der preußische Bajazzo“. Damit kommt der ORF nicht das unerreichte Feature heran, das der Deutschlandfunk vor 25 Jahren hergestellt hat, aber das geht schon in Ordnung. Sehr anständig schlägt sich die aktuelle BR-Produktion „Auf den Spuren des unbekannten Loriot: ‚Och nö, Kinder, muss das sein?‘“.

Beim unvermeidlichen Sketche-Wiederhören – man kann es ja wahrlich schlechter treffen – fällt mir übrigens etwas auf, was mich schon immer ein wenig irritiert hat. Loriot ist im Original immer besser, als wenn er sich selbst kopiert – das gilt auch für seine Partnerin Evelyn Hamann. Nutzen sie doch die vielen Cartoons und Sketche der laufenden Festspiele für einen Vergleich. Finden Sie nicht auch, dass Frau Hamanns Vortrag von „Inhaltsangabe“ (einer englischen Krimiserie) in der TV-Version (bei geschlossenen Augen) viel präziser und schlichtweg komischer ist als ihre Studio-Aufnahme für die Schallplatte? Ist Loriots eigener Erwin Lindemann nicht etwas weniger trefflich als das Original von Heinz Meier in der visuellen Version? Gleiches denke ich auch über die LP-Fassungen von „An der Opernkasse“, „Frühstück und Politik“, „Jodelschule“ …
Einzig die Cartoons sind hier wie dort gleich gut, denn es wurden ja die gleichen Tonspuren benutzt. Bernd Eilert ist in der F.A.Z. vielleicht ähnlicher Ansicht, wenn er ganz allgemein feststellt: „Nachspielen lassen sich Loriots Klassiker kaum ohne erhebliche Qualitätsverluste.“

Das bringt mich zu den gedruckten Würdigungen. Die Zeitungen und Magazine feiern den Jubilar vielleicht auf die schönste Weise. Gedrucktes wird doch immer noch ein klein wenig sorgfältiger und gewogener hergestellt als das „Er ist der Größte“-Geblubber auf einer Fernsehgala. Das optische Angebot ist auf dem Papier weitaus reichhaltiger, denn die Abbildungen speisen sich aus drei Quellen. Während das Fernsehen sich mit Loriot als Autor / Darsteller begnügt, erleben wir ihn hier außerdem als unbewegten Cartoonisten. Der Zeichner Loriot hat uns ein weiteres, schier unüberschaubares Werk rund um seine Knollenmännchen und –frauchen hinterlassen. Außerdem wird im Feuilleton als Zugabe zu den bekannten Szenenfotos immer mal wieder ein überraschendes Privat- oder Werkstattfoto ausgegraben. Das Nachher-Bild vom Set der „Zimmerverwüstung“ etwa kannte ich noch nicht: Loriot sitzt fröhlich und wohlbehalten in der Wüstenei, die wir so gut kennen wie unser eigenes (unaufgeräumtes) Wohnzimmer.

Zurück zu Bernd Eilert, der angesichts von „Steinlaus“, „Filmmonster“ & Co. sogar nachdenklich wird: „Ob sie auch künftige Generationen noch zum Lachen bringen werden, ist schwer vorherzusagen. Die biedermeierlichen Benimmregeln, deren Erlernen und Befolgen in der alten Bundesrepublik noch als Verbindlich galt, verschwinden seit 1968. (…) sprachliche Sonder- und Irrwege gibt es zwar immer noch, sie haben aber den Leerformeln und Fachjargons, die Loriot mit Vorliebe parodierte und zitierte, wenig mehr gemein.“  

Thomas Gottschalk, ein weiteres Idol der Ära, ist uns mal wieder voraus. Er meinte kürzlich in einem großen ZEIT-Interview: „Gucke ich einen Loriot-Film, ist das von einer unglaublichen Langatmigkeit“.  Aber Gottschalk hat zuletzt ja auch sonst nichts Fröhliches mehr auf der Platte – wie das häufig so ist, wenn man ein Leben lang vom Publikum geliebt wurde. Im selben Gespräch sagt er rückblickend über seine Karriere: „Ich habe das Tor zur Hölle aufgestoßen, also musste ich auch durchgehen“.
Na, dann doch lieber einen ollen Loriot-Sketch zur Feier des Tages! Oder zwei. Ich wähle meine Lieblingssketche: „Der sprechende Hund“ und „Der K 2000“ (in der TV-Version natürlich).

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