betr.: Sprechen am Mikrofon / Übung
Fortsetzung vom 28. Mai 2024
In einer sehenswerten TV-Dokumentation versuchte der Sender arte vor einigen Jahren, dem Phänomen der deutschen Edgar Wallace-Filme auf den Grund zu gehen. Um mit einer repräsentativen Zahl von Beteiligten der Serie zu sprechen, war es schon zu spät. Aber durch die Parodien mit Olli Dittrich, Bastian Pastewka u.a., die diese Filme in unseren Tagen erregt hatten, war eine Reihe von jüngeren Wallace-Gewinnlern nachgewachsen, aus deren Mitte Oliver Kalkofe zu uns sprach. Bemerkenswert war für mich, dass er es nicht über sich brachte, diese Filme zu loben. Er wand sich sich, um nicht entweder lügen („Ich mag das Zeug!“) oder andererseits die unfeine Wahrheit herauslassen zu müssen, die da gelautet hätte: „Diese piefigen Wirtschaftswunder-Horror-Schinken sind ungeachtet ihrer ungebrochenen Popularität so brüllend doof und peinlich, dass uns gar nichts anderes übrig geblieben ist, als sie einmal gründlich durch den Kakao zu ziehen!“ Es war vermutlich der Respekt vor dem noch gegenwärtigen Schauspieler Joachim Fuchsberger, den so viel Offenheit gewiss verletzt hätte, welcher dem professionellen Frechdachs hier das Mütchen kühlte.

Der Filmhistoriker Georg Seeßlen – unerschrocken wie üblich – goss schon vor langer Zeit alles Notwendige zum Thema „Die Edgar Wallace Filme“ in seinem Buch „Mord im Kino“ in zwei prall gefüllte Sätze.
Kein Zweifel, die Edgar Wallace-Krimis waren Filme der einfachen Effekte, ein „Kino der Angst“, das sich zu seinen scheußlichen Inventionen, den nachtwandlerischen Äbten und Mönchen mit Peitschen, den mit Giftzähnen ausgestatteten Hunden, den mörderischen Kretins, den Wahnsinnigen, die es in jeder richtigen englischen Familie zu geben schien, den buckligen Würgern, den Skeletten und Statuen, die Menschen bedrohen, nicht vollständig bekennen wollte, ein Subgenre, das sich zur rechten Zeit immer wieder in Biederkeit, ein Maß an „detection“ und eine nicht gerade avancierte Form von Humor, die als „britisch“ ausgegeben wurde, flüchtete. Gegenüber den Obsessionen der Serie, den machthungrigen, sadistischen Erbschleichern und Familien-Revenues, den irren Mördern, die eigentlich Tiere sind, den bedrohten guten Mädchen, die sich ein bißchen zu modern geben, um ganz ungeschoren davonzukommen, ihren ein bißchen verschlampten, aber gutmütigen Freundinnen, den Banden, die aus unterirdischen Kloaken und unterirdischen Gewölben heraus operieren etc., wird viel aufgeboten, was Distanz schafft, von den komischen Nebenfiguren über die vor bürgerlicher Sicherheit strotzenden Helden, zumeist Scotland-Yard-Detektive mit besitzbürgerlichem Hintergrund, dem Zitat-Charakter des gotischen Schreckens bis schließlich zur Serien-Struktur der Filme, die durch Variation und Wiederholung ähnlicher Konstellation, wiederholten Einsatz von Schauspielern und Requisiten sowie Selbstzitaten den Spielcharakter betonte.