Der nette Sexiest Man

betr.: 75. Geburtstag von Richard Gere

Vor 40 Jahren war Richard Gere der präsenteste der „heißesten neuen Stars in Hollywood“, jener Liste, die alle paar Jahre aktualisiert wird. Er filmte fleißig und erwies sich als gut besetzbarer  Instinktschauspieler, zuverlässig und sympathisch, wenn auch ohne überragende Begabung. Man sah ihn einem albernen Remake („Atemlos“), einem Bibelschinken zur Unzeit („König David“), einer Menge lahmen Zeugs (von der Sorte „Cotton Club“), in einem etwas angestaubten Evergreen, der ihm auf den Leib geschneidert war („American Gigolo“ / „Ein Mann für gewisse Stunden“) und in einem Werk, das inzwischen wegen der Karriere seines Regisseurs in der allgemeinen Wertschätzung gestiegen ist, in dem aber die Landschaft die Hauptrolle spielt (Terrence Malicks „In der Glut des Südens“). Ein Film hat sich abseits solcher Einschränkungen als beständiges Qualitätsprodukt erwiesen, das man ohne Angst vor Trash noch heute anschauen kann: das romantische Drama „Ein Offizier und Gentleman“. Nicht nur Gere, auch das übrige Ensemble der jungen Kadetten hat den Vorzug, keinen Glamour zu verströmen, es wirkt uneitel. Demgegenüber steht die hochdekorierte Leistung von Louis Gossett jr., der den planvoll rasenden Schinder gibt. Wie wichtig beides für die Glaubwürdigkeit des Ergebnisses war, wird sich anhand des angekündigten Remakes besichtigen lassen, das auf Gossett verzichten muss und auf die dezente Besetzung der übrigen Rollen freiwillig verzichten wird – unzweifelhaft wird man eine Unmenge hochgezüchteter Muskelmasse zu sehen bekommen.  

In seinen mittleren Dreißigern verfügte Richard Gere über einen unverschämten Sex-Appeal, der völlig mühelos wirkte. Gere hatte offenbar nicht einen einzigen Tag im Sportstudio verbracht (was seinem Luftwaffen-Anwärter aus armen Verhältnissen in „Ein Offizier und Gentleman“ besondere Redlichkeit verlieh) und verfügte trotz seiner Attraktivität über eine Aura verletzlicher Bescheidenheit. Um diese Qualität zu würdigen, braucht man ihn nur mit seinem jüngeren Kollegen Tom Cruise zu vergleichen, der um die selbe Zeit in Hollywood aufstieg. Cruises überfliegerhaftes Dauergrinsen hat seiner Karriere zu Beginn sicher ebenso genutzt wie es sie letztlich gedeckelt und von der anerkennswerten Entwicklung in ein reiferes Fach abgeschnitten hat.
Mit dem simplen Crowd-Pleaser „Pretty Woman“ schaffte es Richard Gere am Beginn der 90er Jahre, in den Olymp der Publikumslieblinge aufzusteigen, die auch ohne unermüdliche Filmarbeit im Gedächtnis des Publikums überdauern und jedesmal freudig begrüßt werden, wenn sie sich für ein Alterswerk blicken lassen.
Diesen Status hat er sich redlich verdient.

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