betr.: „A Chorus Line“ im First Stage Theater Hamburg
Die Unterzeile „Das Musical“ ist vollkommen überflüssig, da es sich hier um ein weltberühmtes Originalwerk des Genres handelt. Aber vielleicht hängt das mit den gleichen „lizenzrechtlichen Gründen“ zusammen, aus denen die 150minütige Vorstellung ohne Pause gespielt werden muss …
„A Chorus Line“ nach so langer Zeit wiederzusehen, hat Freude gemacht.* Rein musikalisch ist das Werk allem, was zur Zeit auf Hamburgs Musical-Bühnen zu erleben ist, haushoch überlegen, und die Produktion erweist sich dieses Vorsprungs als würdig.
Das Ensemble ist sympathisch (was bei dieser Geschichte nicht unwichtig ist), und die Wahl des Stoffes mit ihrem Probenbühnen-Schauplatz erlaubt der Inszenierung einen perfekten Realismus.
Als der hammerharte Besetzungschef Zach am Ende die Teilnehmer der Audition bekanntgab, die den Zuschlag erhalten, staunte ich darüber, wie gut ich seine Wahl nachvollziehen konnte – was sicher daran lag, dass Besetzung und Regie klug auf diesen Effekt hingearbeitet hatten.
Der Abend leidet hauptsächlich an etwas, was schon die Originalinszenierung von 1974 ausgezeichnet haben dürfte: die für mich unnötige Befrachtung des zweiten Aktes mit einer Ex-Beziehungskiste, die im vorliegenden Fall überdies ihre beiden Darsteller schauspielerisch überfordert. Der längste Teil des Abends – die kabarettistischen Bekenntnis-Songs und -Monologe der Anwärter – sind ein Hochgenuss.
Die Fan-Fachpresse lobte die neue Übersetzung von Robin Kulisch mit dem Hinweis darauf, wie angestaubt die alte von Michel Kunze sei. Das ist ein Irrtum. Kunzes Übersetzung ist nicht verstaubt (ebensowenig wie die Show an sich), sie war und ist ein elender Murks voller unsingbarer Reimgebilde und Stilblüten. Doch ein Platzhirsch wie Kunze entzieht sich sowohl eines Lektorats als auch jeder sachlichen Beurteilung.
Die neuen Liedtexte sind auch ohne einen solchen Vergleich recht gut gearbeitet. Aber wozu war es nötig, den „Indian Chief“ aus „At The Ballet“ zu entfernen? Erstens ist der Begriff „Indianer“ nicht despektierlich (auch wenn das nicht jeder weiss), zweitens hätte das Wort „Häuptling“ alleine auch gereicht, und drittens: wenn man schon meint, eine solche Metapher ändern zu müssen, warum setzt man dann etwas so Dröges wie „Prinz“ ein, was überdies in die völlig falsche Richtung führt?
„A Chorus Line“ läuft noch bis zum 24. Oktober, Tickets unter https://firststagehamburg.de/produktion/a-chorus-line/
____________________
* … zumal ich zu diesem Werk eine sehr persönliche Beziehung habe: https://blog.montyarnold.com/2015/01/16/der-tapfere-kleine-schallplattenfreund/