Dass mit der immer intensiveren digitalen Vernetzung auch die Einsamkeit zunimmt – die Berichterstattung legt dies zumindest nahe -, ist gewiss kein Zufall. In diese Zeit fällt auch der Neologismus „Ghosting“ für das allmähliche Verblassen von (digitalen) Lebenszeichen, bis der Kontakt / die „Freundschaft“ sich ganz und gar aufgelöst hat.
Vor diesem Hintergrund ist es fast schon rührend, wenn sich jemand noch die Mühe macht, in einer Mail, einem Brief oder einem Anruf (seltener geschieht solches in einem persönlichen Gespräch) eine Freundschaft aufzukündigen.
Ich habe so etwas hin und wieder erlebt, und meistens musste ich den Abbrechern bei aller Traurigkeit recht geben: wir hatten uns auseinandergelebt, ein Prozess, bei dem es gar nicht unbedingt einen Schuldigen geben muss.
Einmal hat mich die Dreistigkeit eines solchen Briefes aber so sehr gekränkt, dass ich das Bedürfnis hatte, ihren Eingang zu bestätigen. Ich tat dies mit den (ehrlichen) Worten: „Der Abbruch unseres Kontaktes ist eine gute Idee. Leider ist sie nicht von mir!“
In solchen Fällen darf man nicht zu redselig sein. Wenn man überhaupt antwortet, muss das kurz und knapp geschehen. Und – bei allem Bedauern – zustimmend, denn eine solche Entscheidung ist grundsätzlich zu respektieren.
Ein Freund von mir räumt gerade sein soziales Umfeld auf. Hin und und wieder bittet er mich um Rat, wenn er kommunizieren möchte, dass er sich dies und das nicht mehr bieten lassen wolle. Er arbeitet fleißig an pointierten frechen Antworten auf die Reaktionen, die ihn dann erreichen. Ich rate dann jedesmal ab. Ironie ist hier schon wegen drohender Missverständnisse fehl am Platze (siehe oben), und zum Lachen ist die Sache ohnehin nicht.
Es gilt die alte Weisheit des Medienphilosophen Marshall McLuhan: „Das Medium ist die Botschaft“. Wer immer weiterschreibt, -whatsappt oder -mailt, gibt damit zu erkennen: für mich gilt die Trennung nicht. Ich würde mich gern noch weiterstreiten.