Haltung und Temperament am Mikrofon

betr.: Mikrofonarbeit / Broadcast vs. Podcast

Podcasts sind um möglichst große Aufmerksamkeit bemüht und daher zwangsläufig auf ein junges Publikum aus. Das wirkt sich auch auf die Mikrofonarbeit aus (es wird gepresst und von unten gedrückt, das Tempo wird angezogen …). Inhaltlich geht damit geht einher, dass das Publikum geduzt und als Gruppe angesprochen wird. Ein „Liebe Hörerinnen und Hörer“ wäre bei den meisten Formaten fehl am Platze. Doch die Ansage „Ihr hört …“, die sich bei den gewollt jung klingenden Podcasts der ARD durchgesetzt hat, ist noch problematischer: sie verfehlt im Grunde sämtliche Zielgruppen (oder ist in ihrer kruden Wurstigkeit der allgemeinen Entwicklung vielleicht auch einfach voraus).

Warum interessiert uns das an dieser Stelle? Schließlich wird in Podcasts moderiert (ein Vorgang im ON) und nicht gestaltend vom Blatt gelesen?
Weil beides eine Haltung braucht. Die muss man zuvor wählen (sonst findet sie sich selbst und entzieht sich der Kontrolle der Sprechenden).
Die Haltung „ihr hört“ ist eine ganz andere als die Haltung „Liebe Hörerinnen und Hörer“. Die erste richtet sich emotional an ein gleichzeitig anwesendes, größeres Publikum (Partystimmung).
Im OFF hat man aber immer nur zu einer einzelnen Person zu sprechen. Zwar sind auch die alten Grußformeln „Liebe Hörerinnen und Hörer“ und „meine Damen und Herren“ im Plural gehalten, doch sie sind sich der Tatsache bewusst, dass es letztlich einzelne Lauscher sind, die ihnen zuhören. Die Logik dahinter: In Gesellschaft neigt man eher zum Plaudern als zum Radiohören. Gleichzeitig weiß man, dass mehr als eine Person zuhört.

Der klassische Off wendet sich im Moment der Verrichtung an eine einzelne erwachsene Person ansonsten unbestimmten Alters, die bereits entschlossen ist, aufmerksam zuzuhören. Sie muss nicht erst durch ein gesagtes oder emotional vermitteltes „Herrreinspaziert“ eingefangen werden.

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