Nachtrag zu https://blog.montyarnold.com/2024/06/08/25466/
In seinem Artikel „Dunkles Glück – Die Edgar Wallace-Filme“ bekannte sich Olaf Möller 1994 so aufrichtig zu der sonderbaren filmischen Produktlinie aus der Wirtschaftswunderzeit wie es heute kein medial sichtbarer Zeitgenosse mehr wagt. Zu Beginn schlägt er zwar einen bemüht hemdsärmelig-pennälerhaften Ton an, so als wollte er sich eine Hintertür offenlassen („war ja nur Spaß“). Doch er lobhudelt nicht wild drauflos, er argumentiert und setzt die Gegenstände seines Entzückens in Relation.
Möller erblickt in Heinz Drache den „Cleveren“, während Joachim Fuchsberger eher ein Laufarbeiter gewesen sei, der im Lauf der Serie „zu einer einzigen Neurose“ wurde. Auch dass dies keine Regisseurs-Filme gewesen seien, man aber andererseits durchaus einen Reinl von einem Gottlieb unterscheiden könne, glaube ich schon deshalb sofort, weil mir jeder Heldenmut fehlt, es nachzuprüfen.
Manches kann aber einfach nicht stimmen, etwa das abschließende Urteil über die „Ausnahmegestalt“ Eddi Arent, jener „gutmütige, schusselige Trottel, der im Laufe der Serie als Psychopath und Sadist in Priesterkleidung enttarnt wird“: dem „traut man alles zu.“ Tu ich nicht, im Gegenteil. Nachdem ich kurzzeitig im Alter von etwa acht Jahren ein richtiger Arent-Fan war, wandte ich mich mit achteinhalb wieder von ihm ab, weil er sich immer nur wiederholte. (Louis de Funès tat das vordergründig auch, aber eben nur vordergründig, und ihn liebe ich bis heute!)
Die Frage, was wirklich bleibt, beantwortet der Autor so: „Die Frauen! Lil Dagover als DIE SELTSAME GRÄFIN (1961, Regie: Josef von Baky) in Grandess [sic!] und Sadismus unerreicht, allein schon, weil sie ihrem Sohn die Backe mit einem Rasiermesser zerfetzt und dabei so tut, als wolle sie ihn streicheln; Karin Dor mit diesem etwas geheimnisvollen Lächeln, das so gut zu dem eher Wallace-untypischen DER FÄLSCHER VON LONDON (1961, Regie: Harald Reinl) passte, mit seinen hellen Räumen und seiner aufgeräumten Stimmung; ebenfalls bei Reinl – ihrem Ehegatten von 1954-68 – in DIE BANDE DES SCHRECKENS (1960), einem der besten Filme der Reihe, wurde sie bedroht, und Fuchsberger musste sie retten, was sie aber anscheinend auch selbst gut geschafft hätte; Brigitte Grothum, die so sagenhaft geil Angst hatte in DIE SELTSAME GRÄFIN und dann in DAS GASTHAUS AN DER THEMSE (1962, Regie: Alfred Vohrer) mit einem wissenden Kinderblick in das Zentrum einer Verschwörung geriet; aus DER GORILLA VON SOHO (1968, Regie: Vohrer) erinnere ich nur noch den Hintern und die Beine von Uschi Glas, die auch schwer runtergekommen ist; Ingrid Steegers Busen in DIE TOTE AUS DER THEMSE (1971, Regie: Harald Philipp), kurz vor ihrem Sprung zu Erwin C. Dietrich. Und dann ist da noch Renate Ewert in DER ROTE KREIS (1959, Regie: Jürgen Roland), ihre Augen, dieser irre Mund; ihr war es, wenn ich richtig erinnere, irgendwann zuviel geworden auf der Welt, da ging sie einfach.“
Für Möllers Artikel spricht, dass er Klaus Kinski tatsächlich unerwähnt lässt (auf dem Wallace-Feld eine einsame Leistung in der Geschichte des deutschen Kulturjournalismus). Bedauerlicherweise erwähnt er auch den fest bei der Serie angestellten Siegfried Schürenberg nicht. Diesen habe ich wegen seiner Synchronarbeit immer sehr geschätzt, habe mich aber bis heute nicht davon erholt, ihn in der Edgar Wallace-Reihe als „Sir John“ auch zu sehen. Was Schürenberg sich hier an tutig-onkelhaften Albernheiten gestattet wird in seiner unbehaglichen Wirkung nur von dem übertroffen, was er sich in „Die Herren mit der weißen Weste“ an tutig-onkelhaften Albernheiten gestattet.
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Die Buchreihe „Gdinetmaó – Abweichungen vom deutschen Film“ (Hg.: Rainer Knepperges) erschien im Maas Verlag Berlin und versammelt kenntnisreiche Feuilletons. Der zitierte Artikel stammt aus der Nr. 11 vom Oktober 2000.