Nabend zusammen!

Passend zu den Zeiten des abnehmenden Lichts widmet das „Zeit Magazin“ dem Abendbrot einen Schwerpunkt, der – man kann es sich denken – diesem Ritual größere Beachtung wünscht. Das ist spontan einleuchtend, steht es doch seit jeher im Verdacht, weniger wert zu sein als sein morgendliches Gegenstück. Das Frühstück sei die wichtigste Mahlzeit des Tages, wird seit Urzeiten unentwegt behauptet, ohne dass einem mal jemand erklärt, wieso eigentlich. Ich vermute, es hat Gründe, die mit dem Nährwert zusammenhängen, während der Artikel vor allem die gesellschaftlichen und familiären Nebeneffekte betont. Es wird das idyllische Bild eines Happenings beschworen, zu dem „etwa um sieben“ alle „aus ihren jeweiligen Ecken gerollt“ kämen, „sie würden sich setzen, an einen gemeinsamen Tisch, sie würden miteinander reden und essen. Gelächter. Kummer. Palaver. Gespräch. Dann stünden sie auf und gingen wieder, jeder in seine Richtung. Der Tag könnte sich neigen.“
Das klingt so surreal für mich, dass sich sogleich das (neben dem verbotenen nächtlichen Naschen am Kühlschrank) letzte verbleibende Mahl im bürgerlichen Tageskreis in meinem Hirn auftut, Szenen des Mittagessens in meinem Elternhaus. Was ich da sehe, sind „grässliche Gaukelbilder, Erinnerungen voll Schlangengift“ (wie Stan Lee es ausgedrückt hätte). Mein Vater, der seiner sechsköpfigen Familie den ganzen Tag nach Kräften aus dem Wege ging, musste sich mittags fügen und am Kopfende unserer Tafel platznehmen. Er hasste das so sehr, dass es auch für uns übrige kein Vergnügen war.
Dann doch lieber Abendbrot.

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