Wie bei armen Leuten

betr.: TV-Kritik „Tatort: Restschuld“

Wer über den neuen Kölner „Tatort“ schreiben will, dem fällt zwangsläufig auch der letzte vom vorigen November wieder ein. Die beiden Folgen sind nämlich qualitativ so unterschiedlich, als würden sie das mit Absicht machen. „Siebte Etage“ (der vom November) war ein elend-wüster Kitsch (Drehbuch: Eva und Volker A. Zahn, Regie: Hüseyin Tabak), der sich aus der Affäre zog, indem er durch die Wahl eines hehren Sujets – das Leben der Kölner Sex-Arbeiterinnen – eine edle Botschaft vortäuschte, die nur ein Schuft kritisieren bzw. missachten würde. (Wie sollte die Botschaft eigentlich lauten?) Wer damit zurechtkam, dem gaben schwülstig-belehrende Dirnen-Monologe, grell überzeichnete Knallchargen (ununtertroffen: André Eisermann als aufgeschwemmter Betreiber eines Konzept-Puffs) und ein quietschbunter Look den Rest, wie er auch bei Rosamunde Pilcher (und eben in den anderen Kölner „Tatorten“) üblich ist.
Der aktuelle Fall „Restschuld“ (der Titel ist so popelig, dass man sicher ist, ihn schon mehrmals erlebt zu haben) macht alles anders und alles richtig (Drehbuch: Karlotta Ehrenberg, Regie: Claudia Garde). Auch hier gibt es mit Menschen, die aus der Mittelschicht in die Überschuldung und Verarmung rutschen, ein Thema, das uns nachdenklich machen könnte. Wir können das aber auch auf später verschieben und uns erst einmal dem Krimi hingeben. Es liegt in der Natur des Genres, dass sein bunter Strauß an Verdächtigen auch viele Kleinstrollen und Kurzauftritte bereithält, die bei der heutigen Arbeitsweise meist sehr nachlässig inszeniert werden. Nicht so in diesem Fall. Die Figuren stammen aus unterschiedlichen Milieus, sind sorgfältig konzipiert, treffend besetzt und fabelhaft gespielt: das schwule Yuppie-Pärchen wie auch die arbeitsunfähige Geigerin und ihre wohlhabende Freundin, vor der diese sich so entsetzlich schämt, die Schwester des Vermissten und ihr etwas schlichter Ehemann. Dass es längst keine Abspänne mehr gibt, die uns nach der Sendung die Möglichkeit geben, einzelne Leistungen zu würdigen, war besonders schade angesichts der Reklamationsszene im Kaufhaus. Die verzweifelte Verdächtige Frau Schreiter (Wikipedia sagt: Katharina Marie Schubert), der Verkäufer (Daniel Drewes) und sein stummer Kollege (keine Auskunft) machen ihre Sache so gut, dass man sich hinter der Herrenoberbekleidung verstecken möchte.

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