betr.: der Thriller „Tiefe Wasser“ (2022) gestern und heute im ZDF
Vic und Melinda sind das perfekte Ehepaar – an der Oberfläche. Sie hat viele Affären, er behauptet auf einer Party, einen der Liebhaber getötet zu haben. Ist das wirklich nur ein Party-Gag?
Erotik-Spezialist Adrian Lyne beobachtet die verhängnisvolle Beziehung von Vic und Melinda in der Hitze von New Orleans. Ben Affleck und Ana de Armas spielen das Paar, das in seiner eigenen, mörderischen Blase lebt. (ZDF-Text)
Als Ben Affleck Ende der 90er Jahre mit „Good Will Hunting“ auf der Bildfläche erschien – an der Seite seines Freundes, Co-Autors und Schauspielerkollegen Matt Damon – und auch noch wenig später in dem Edeltrash „Armageddon“ an der Seite von Bruce Willis, schien er der Anwärter auf den Job als „sexiest man alive“ zu sein. Dass er es darauf nicht sichtbar anlegte, war wiederum recht reizvoll. Auch sein Part in „Good Will Hunting“ war ja recht klein gewesen – aber sehr anständig gespielt.
Ich erinnere mich noch gut meiner Überraschung, als ich Ben Affleck in „Auf die stürmische Art“ kurz darauf wiedersah. Oberflächlich unverändert, verströmte er die erotische Energie eines Couch-Potatos. Und so ist es geblieben. Seine aufreizende Zurückhaltung war einer Muffigkeit gewichen, die nicht zu den kernigen Rollen passte, die er in den folgenden Jahren spielte, etwa den Marvel-Helden „Daredevil“ (2003). Inzwischen ist er in einem Spielalter angelangt, in dem sich mit dieser Aura etwas anfangen ließe (der Konjunktiv ist bewusst gewählt).
Für die männliche Hauptrolle Patricia Highsmiths berühmtem Ehedrama „Tiefe Wasser“ ist er im Grunde eine gute Besetzung, doch der leichte Lebensekel des Helden Vic sieht zu sehr wie der private von Ben Affleck aus.
Insgesamt schlägt sich die Verfilmung recht gut (die noch bis Ende Februar in der ZDF Mediathek abrufbar ist) sehr gut. Doch mit der Zeit kommen leichte Zweifel an der glücklichen Hand des Besetzungsbüros auf. Besonders als Tracy S. Letts als Don beginnt, hinter Vic herzuspionieren. So wie er diesen „Freund der Familie“ gestaltet, wirkt er, als hätte man ihn per KI aus einem TV-Film der 80er Jahre herüberkopiert.
Wie viel besser „Tiefe Wasser“ sein könnte, wird klar, wenn man sich – apropos TV-Film der 80er Jahre – den gleichnamigen ZDF-Zweiteiler von 1983 nochmals anschaut. Beide Versionen sind in ihrem jeweiligen medialen Kontext gleichermaßen aufwändige Umsetzungen der Vorlage, daher erscheint mir der Vergleich nicht unanständig. Bei allem Camp, der uns beim Wiedersehen mit diesem Fernseh-Kabinettstück befallen mag: die Schauspieler sind einfach wesentlich besser. Konstanze Engelbrecht als Melinda macht in ihrer geflissentlichen Verderbtheit einfach sprachlos, während Ana de Armas die unterschiedlichen Gesichter dieser Figur so spielt, als wären es unterschiedliche Rollen. Reinhard Glemnitz wirkt tatsächlich, als könnte er Vic gefährlich werden. Und dass Peter Bongartz den gelangweilten Neurotiker nur spielt, erlaubt ihm eine feine Nuancierung, die Affleck nicht mal aus dem Kino kennt.
„Was hat sie vor? Edgar, was hat Hortense vor? Warum ist sie plötzlich so sanft, Edgar?
Du musst auf der Hut sein, Edgar!“ – Die etwas längere TV-Version der
Geschichte erlaubt uns, Vics Selbstgesprächen zu lauschen. (ZDF 1983)
Auch die Inszenierung macht ihre Sache besser. Die Freunde des Ehepaares sind keine reinen Knallchargen, und der Raum, in dem Vic seine geliebten Schnecken züchtet, sieht so aus, als könnte man dort tatsächlich Schnecken züchten. In der US-Version hat man das Gefühl, einen Folterkeller zu betreten, in dem außerirdische Invasoren ihre Schoten ausbrüten, wenn der Hausherr mal nicht da ist.