betr.: 10. Todestag von Harry Rowohlt
Noch zu Lebzeiten des unersetzlichen Künstlers portraitierte ihn Christian Maintz in der taz.
Ein Mann mit Namen Harry Ro-
wohlt lebte einst in Gütersloh?
Ach Quatsch! In Hamburg wohnt der Mann –
Ich fang nochmal von vorne an:
In Hamburg-Eppendorf – na klar! –
Lebt Harry schon so manches Jahr.
Er hat kein Amt und kein‘ Verlach –
Was macht der bloß den ganzen Tach?
Schon früh um sechs, mit ernster Miene,
Sitzt Harry an der Schreibmaschine
Und übersetzt Schnurrpfeifereien
Des irren Iren Flann O’Brien.
Nach circa 48 Seiten
Lege Harry den Gebenedeiten
Beseite, lutscht jedoch sofort
Rund fünf Kapitel Frank McCourt;
Drei Stories noch von Vonnegut,
Dann fühlt sich Harry etwas matt.
Er zieht ein Zigarettchen durch
Und schläft zwei Stunden wie ein Luch.
Kaum aufgewacht, so gegen vier,
Wirft er paar Verse aufs Papier.
Die stehen später – kein dumm Tüch, Mann! –
An jeder Klowand und im Büchmann.
Doch halt, wir greifen schon voraus,
Denn jetzt geht Harry aus dem Haus,
Eilt, in Ermanglung eines Huts,
Mit Mütze und in Cowboy-Boots,
In die Fabrik, nach Altona;
Und wir, wir sitzen auch schon da
Und freuen uns und sind ganz Ohr,
Denn jetzt liest Harry uns was vor.
In Jeans und Boots und dunklem Shirt
Liest Harry Frank und Flann und Kurt,
Und dann liest er von Pooh, dem Bären,
Und wir, als ob wir Kinder wären,
Wir weinen, weils so schön und wahr ist,
Und weil auf einmal alles klar ist,
Weil Harry so verdammt gut liest,
Und weil die Zeit so schnell verfließt,
Und weil die Welt vor allen Dingen …
Doch jetzt fängt Harry an zu singen;
Er brummt ganz ohne Gottvertrauen:
„Stadt Hamburch an der Elbe Auen …“
Und geht. Wir danken kollektiv:
„So long, old Harry, hol di stief!“