betr.: Hörbuch-Oldie

Dass Fernsehkommissare (Krimi-)Hörbücher lesen, ist obligatorisch. Die wenigsten sind dazu – unabhängig von ihrem schauspielerischen Vermögen – in der Lage; es handelt sich schlicht um einen völlig anderen Beruf. Bisher war ich der Meinung, nur Dietmar Bär („Tatort“-Kommissar des WDR) sei wirklich richtig gut in dieser Funktion, aber nun habe ich mich auf ein Hörbuch seines Kollegen Charles Brauer eingelassen, die gekürzte Lesung des mit Tom Cruise verfilmten Thrillers „Die Firma“ von John Grisham.
Brauer macht seine Sache außerordentlich gut. Dass er das Wort „VW Käfer“ mehrmals am Anfang betont (so als gäbe es auch Käfer anderer Automobilwerkstätten) und vom Bundesstaat „Tschintschinätti“ spricht, sind allen Ernstes die einzigen kleinen Ausrutscher, die mir aufgefallen sind. Das richtige Maß bei der Gestaltung der vielen Charaktere zu finden, ist beinahe die schwerste Aufgabe bei einer solchen Produktion. Die zweitschwerste ist, dass diese Stimmen nicht verstellt klingen. Beide meistert Brauer mit Bravour.
Ein amüsantes Detail hierzu: hin und wieder (und sicherlich unbewusst) klingt er Manfred Krug* in der wörtlichen Rede zum Verwechseln ähnlich. Mit diesem bildete er 15 Jahre lang, ab Krugs viertem Einsatz, ein Team im NDR-„Tatort“. Sie waren ein überaus populäres Duo, bei dem die Idee vom „alten Ehepaar“ banal, aber nicht unzutreffend ist. (Die Lesung entstand just im Jahr 2001, als das Ermittlerduo seinen letzten Fall löste.)
Meinen Schülern sage ich immer, sie sollten solche Charakterisierungen nicht „machen“ wie man einen Knetgummi formt, sondern als Farbe aus dem Schatz der Stimmen schöpfen, die sie sowieso kennen. Charles Brauer arbeitet offensichtlich auch nach diesem Prinzip.
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* Siehe https://blog.montyarnold.com/2025/08/24/28583/