Der Song des Tages: „L’heure bleue“

Am kommenden Sonntag wird im POLITTBÜRO der 70. Geburtstag von Effi Effinghausen nachgefeiert (der coronabedingt um zwei Jahre verschoben wurde).
Deshalb gibt es in dieser Woche Souvenirs von und über Effi.

1985 schrieb Effi diesen neuen Text auf einen Tango, den Mischa Spoliansky 1928 für die Revue „Es liegt in der Luft“ auf einen Text vom Marcellus Schiffer komponiert hat: „L’heure bleue“ („Blaue Stunde“). Auch das Original hat Effi gern gesungen, irgendwann kam diese Zugabe obendrauf, die aus der Duftwässerchen-Begeisterung des Originals eine Leseleidenschaft macht.

1.
Ich esse nicht, ich trinke nicht, ich schlafe nicht, ich tanze nicht,
ich liebe nicht, ich lebe nicht, ich lese nur!
Ich lese nur, zitiere nur, ich katalogisiere nur,
entleihe und studiere und kopiere nur.
Und les‘ ich was, erring ich es, verschlinge und bezwing‘ ich es,
ich nehm es auf und geb‘ mich hin.

Refrain
Nur so ein Poem von Verlaine,
von Kläuschen Mann ein Roman,
ein Exposé von André Gide,
dann ein Sprüchlein von Oscar Wilde,
vermischt mit Garcia Lorca und etwas Jean Cocteau,
ein Band von Bassani, eine Zote von Pasolini
und die gesammelten Werke von Rim-
baud, noch etwas Klatsch von Peyrefitte –
damit erreicht man den Zweck
und schmeißt dann alles weg!

2.
Und lese ich, dann leb‘ ich nicht, dann schlafe und dann lieb‘ ich nicht,
dann leg ich mich, dann liege ich und träume ich!
Dann träume ich von Andersen, von Plato und von Winkelmann,
Capote und Hans Henny Jahnn und Michener,
von Marcel Proust und Jean Genet,
James Baldwyn und von Yves Navarre sowie von E. M. Forster

Refrain
Nur so ein Gedicht von McKay und ein Essay von Germaine,
ein Akt von Edward Albee,
etwas Sehnsucht von Edmund White, und ich bin reisebereit!
Es geht zu Tennessee!
Ein Thriller von Picano, der ist so pikant – oh! –
und Carson McCullers, die gibt mir heut‘ einfach alles!

(gesprochen)
Ein Märchen von Rexhausen lässt mich niemals grausen,
und Stefan George vertreibt mir die Sorge!
Biographisches von Fichte hat unerhörte Dichte,
und Gore Vidal macht wieder vital!
Alexander Ziegler ist so ein Auf-Wiegler!
Ein Sonett von Shakespeare gönn ich unterwegs mir!
Ein Flug mit Saint-Exupéry erweitert die Peripherie!

Refrain
Dann noch etwas Klatsch von Peyrefitte –
damit erreich‘ ich den Zweck,
dann schmeiß‘ ich alles weg!

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