Verfolgung auf Schlittschuhen

betr.: 178. Geburtstag von Emil Waldteufel

Der vergessene französische Walzerkomponist Emile Waldteufel hat uns hauptsächlich drei Ohrwürmer hinterlassen. Zwei davon wurden skurrilerweise in den Viervierteltakt übertragen, ehe sie – interpretiert vom Schlagerduo Cindy und Bert – in den 70er Jahren unsere Hitparaden stürmten: „Spaniens Gitarren“ (bürgerlich „Estudiantina, op. 191“) und „Wenn die Rosen erblühen in Malaga“ („España, op. 236“).
Seinen größten Erfolg hatte Waldteufel aber schon zu Lebzeiten um die Jahrhundertwende mit dem Walzer „Die Schlittschuhläufer“. Dieser Titel war nicht nur ein häufig gespielter Hit auf Promenadenkonzerten und für Salon-Orchester, er erregte auch eine Fülle einfallsreicher Parodien, besonders in der Filmmusik.

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Die erste Seite des Klavierauszuges von „Les Patineurs“ (1882)

Zunächst einmal ist der farbige Disney-Kurzfilm „Magician Mickey“ (1937) zu nennen. Für diese Geschichte um die als Zauberer in einem Vaudeville-Theater auftretende Mickymaus, die von dem rüpelhaften Donald Duck belästigt wird, schrieb der ungenannte Musiker Albert Hay Malotte eine durchgehende Filmmusik. In dieser Musikfolge erklingt gleich zu Beginn ein neugeschaffener Waldteufel-Walzer.

Noch besser können sich Cineasten an den Waldteufel-Moment in „Citizen Kane“ erinnern, dem offiziell „besten Film aller Zeiten“. In der berühmten Montage „Kane’s First Wife“ wird das Zerbrechen einer Eher im Zeitraffer gezeigt, immer anhand des Verhaltens der zunächst turtelnden Jungvermählten am Frühstückstisch. Zuletzt verstecken sich die Eheleute wortlos hinter ihrer jeweiligen Morgenzeitung (zwei konkurrierende Publikationen).

1977 war der Walzer wieder das Titelthema: Lalo Schifrin – besonders bekannt für seine Musik zu „Mission Impossible“ – betreute einen der so beliebten Katastrophenfilme: „Achterbahn“. Wir hören das Waldteufel-Motiv von einer Rummelplatz-Orgel.

Die bekannteste all dieser Parodien aber schrieb Charles Chaplin für seinen letzten Stummfilm „Moderne Zeiten“ von 1936, den „Toy Waltz“. Der Titel erlebte zahlreiche Cover-Versionen und wurde sogar im Lounge-Repertoire aufgegriffen.
Der „Toy Waltz“ wird auch kurz in einer der berühmtesten Szenen des Films angespielt: Nachtwächter Charlie hat seine Freundin heimlich an den Arbeitsplatz mitgenommen: ein nächtliches Warenhaus. Nun möchte er sein Mädchen beeindrucken. Mit verbundenen Augen vollführt er in einem der oberen Stockwerke eine ausschweifende Rollschuhfahrt – eine weitere Anspielung auf die „Schlittschuhläufer“. Dabei schlittert er nichtsahnend mehrmals haarscharf an einem Abgrund vorbei, der sich durch eine ungesicherte Baustelle auftut. Seine entsetzte Freundin kann ihn nicht warnen – denn es ist ja ein Stummfilm.

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