Schlechten Trip geschmissen, geweint!

betr.: 124. Geburtstag von Dorothy Parker / Lyrik-Übersetzungen

Dorothy Parker war das aus heutiger Sicht schillerndste Mitglied der Tafelrunde im Hotel Algonquin. Die meisten Angehörigen dieses auch „Teufelskreis“ genannten literarischen Zirkels aus jungen Journalisten, Stückeschreibern, Schauspielern, Romanciers, Musikern, Dichtern und Malern wurden erst in späteren Jahren durch ihre Arbeit berühmt, doch in New York nahm man sie wegen ihrer pfiffigen Kulturkritiken schon in den 20er Jahren zur Kenntnis. Es waren jene Jahre, in denen die Kultur ihre Titelseitenwürde erhielt, und die Algonquin-Truppe hat bis zu ihrer Auflösung 1929 viel dazu beigetragen.

Man rühmte Dorothy Parkers „scharfzüngigen Witz“, ihre „geistreiche Bissigkeit“. Sie schrieb besonders gern Theaterkritiken für „The New Yorker“ und „Vanity Fair“, richtete aber auch häufiger ihren strengen „Schweineblick auf Literatur“. Eine lieferbare Biographie trägt den Titel „Noch ein Martini, und ich lieg unterm Gastgeber“, ihr klassisches Credo lautete: „Mein Herz will Allotria“.
Allotria widerfuhr ihr oft und üppig in den „Wilden 20ern“, im Jazz-Age von Zelda und F. Scott Fitzgerald, in den Jahren des staatlichen Alkoholverbots, in dem also und unweigerlich besonders ausgiebig gefeiert und gesoffen wurde.
Parkers Lyrik wird allerseits als literarisches Sittengemälde dieser Jahre gelesen, aber im Gegensatz zu den Fitzgeralds wird bei ihr vor allem rumgejammert. Wo der Autor und Fotograf Carl Van Vechten voll Witz und Kolorit über „Parties“ schreibt, erzählt Parker von den überzogenen Erwartungen davor und dem Kater danach.
Anstatt sie also einmal mehr als fidele Kodderschnauze hochleben zu lassen, die sich die Butter nicht vom Brot nehmen lässt, sollten wir einmal ihre Qualitäten als ungewollte Anti-Drogen-Poetin würdigen. Dorothy Parker beweist auf vielen Seiten die gern geleugnete Tatsache, dass nichts den Drogenkonsum so sehr befördert wie Selbstmitleid und Langeweile – und dass diese Gefühle dadurch keinesfalls geringer werden.

Vor zweieinhalb Monaten erschien beim Züricher Dörlemann-Verlag pünktlich zum 50. Todestag der Künstlerin eine poetische Gesamtausgabe mit dem Titel „Denn mein Herz ist frisch gebrochen“. Ulrich Blumenthal besorgte die frische Übersetzung.

Mrs. Parker teilt kräftig aus –

Männer tragen kaum Verlangen
Nach Verkehr mit Brillenschlangen.

(Im Original:
Men seldom make passes
At girls who wear glasses.)

– schont sich aber auch selber nicht:

Ist wund mein Stolz und wild die Brust,
Dann habe ich zum Selbstmord Lust;
Ist hoch mein Haupt und und kühl mein Blut,
Dann denk ich, „Tote haben’s gut!“

Doch selbst die Wahrheit klingt bei ihr so, als hätte man sie schon versierter gelesen:

Verflucht sind von Geburt an die,
Die nichts wolln als Monogamie.
Sie suchen sie von Bett zu Bett –
Für die wär eher der Tod ganz nett.

Nun mal im Ernst: „nett“ auf „Bett“ zu reimen, ist genauso entsetzlich wie „genau“ auf „Frau“ oder „Schmerz“ auf „Herz“. (Zumal der Reim auch noch rumpelt!)
Braucht es denn diese neue Übersetzung?
Vielleicht hilft ein Film aus dem Jahre 1994 bei der Beantwortung der Frage: „Mrs. Parker und ihr lasterhafter Kreis“, in dem die gewohnt schläfrig-heulsusige Jennifer Jason Leigh in der Rolle der Dorothy Parker ausnahmsweise gut besetzt war. Hier stammen die deutschen Nachdichtungen von Ulrich Pollak – und sie klingen so:

Resümee.

Rasierklingen sind rar,
Säuren machen Dampf.
Wasser ist so klar,
Drogen sind ein Krampf.
Schießeisen sind riskant,
Seile unbequem,
Gas stinkt penetrant.
Da kann das Leben auch weitergehn.

Was sagt denn die Zürcher Neu-Ausgabe dazu?

Klingen ritzen;
Flüsse sind nass;
Säuren ätzen;
Gift macht blass;
Colts sind strafbar;
Strick könnte nachgeben;
Gas stinkt furchtbar;
Da kannst du auch leben.

(Lesen Sie das bloß nicht laut!!!)

Auch wenn wir den Urtext vor solcherlei Übertragungen gern in Schutz nehmen, ist offensichtlich, dass die berühmte Autorin angesichts all der erhörten Gebete vor allem „Ekel überkam – wie immer, wenn der Mensch sich überfrisst“ (in den Worten von François Villon bzw. Paul Zech.)
Einer ihrer berühmtesten Verehrer, W. Somerset Maugham, sprang ihr mit dem Hinweis bei: „Nur mittelmäßige Autoren sind immer in Bestform, und Dorothy Parker ist keine mittelmäßige Autorin.“
Ach so. Na denn.

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