Ganz schön gradlinig

betr.: „Schräge Typen“ von Tom Hanks

Im Leben manches großen Filmstars hat es diesen Versuch gegeben, einmal einen „ganz anderen“ Film zu machen, um der bequemen Gleichförmigkeit des Erfolges einen Kick zu geben. Im Falle von Tom Hanks, dem von Berufs wegen „nettesten Kerl von Hollywood“, war das vor einigen Jahren ein düsteres Drama, in dem er nach dem Motto „So haben sie ihn noch nie gesehen!“ einen Killer zu verkörpern hatte. Es war eine Mogelpackung. Tom Hanks spielte einen liebenden Vater auf der Flucht, der vom tatsächlichen Bösewicht der Geschichte – einem viel fieseren Killer – erbarmungslos gejagt wurde. Das Werk ging gerechterweise ebenso unter wie der gleichzeitige Versuch des einzigen noch gefallsüchtigeren amerikanischen Kinostars: Robin Williams, der als gemeingefährlicher Psychopath angekündigt wurde.

Diese Vorgeschichte ist interessant für das Lesepublikum unserer Tage, das sich für die erste schriftstellerische Arbeit von Tom Hanks begeistern soll. In einer Ankündigung des Erzählungsbandes „Schräge Typen“ hörte ich wirklich, die Figuren in diesen Geschichten seien so exzentrisch wie die Rollen, die Hanks zu spielen pflegt. Das stimmt unbedingt. Als Schauspieler wie auch als Autor ist Tom Hanks so schräg wie eine durchgezogene Linie zwischen zwei Fahrspuren. Bloß niemanden erschrecken, lautet seine Devise.
Seine „schrägen Typen“ sind nette Mittelklasse-Lifestyle-Victims, die mit anderen ähnlich nette Mittelklasse-Lifestyle-Victims umghen. Sie ringen mit dem einen oder anderen Problemchen, häufig geht es um Schickimickikram wie Selbstoptimierung (Sport, veganes Essen, Apps, gute Vorsätze …) oder die Sehnsucht nach jenem Eskapismus, den uns der Autor so beharrlich verweigert. Darüber liegt dieser heute weit verbreitete Mief vorgeblicher Selbstironie und Selbstreflexion. Die Figuren checken Mails, kucken Netflix, trinken angesagte Gesundheits-Shakes, rätseln kurz darüber, ob das in der Summe nicht irgendwie fade ist und fahren dann damit fort, Mails zu checken, Netflix zu kucken und angesagte Gesundheits-Shakes zu trinken. Alle sind ständig in irgendeinem „-modus“. Hin und wieder tritt eine komische Nebenrolle auf, deren Pfiff sich darin erschöpft, dass sie aus dem Internet heruntergeladene Kleinbürgerweisheiten von sich gibt. Sie leben wie die „Ladies Who Lunch“, die Stephen Sondheim vor etwa 40 Jahren noch einen sarkastischen Song wert waren. Selbstverständlich liegt dem netten Mr. Hanks Sarkasmus völlig fern.

Kann Tom Hanks wenigstens schreiben, wenn er schon nichts zu erzählen hat? Sein Stil sieht etwa aus: „Wie ist sie denn so? Tätowiert oder eher die Birkenstock-Sorte?“ oder „Wir treiben es wie die Brezelbäcker in Greenburg / Wisconsin.“ Erinnerungen oder Ideen einer Heldin – hin und wieder ist von „Visionen“ die Rede – werden unentwegt mit „Plopp“ angetrailert. Und weiter: „Sie hat einen Waffenstillstand im Anbandelungskrieges beschlossen.“ und „‘Hallo, großer Junge!‘ sagte sie zu ihrer Espressomaschine.“ …

Sollte man  nicht annehmen, dass ein Mann, der seit Jahrzehnten ein erfolgreicher Künstler ist, irgendetwas erlebt hat, was er uns in verdichteter, abgewandelter Form erzählen könnte? Dass er wenigstens einen spannenden Menschen getroffen, etwas über sich selbst erfahren oder wenigstens bei anderen mitangesehen hat, das einer Nacherzählung würdig wäre? Immerhin verarbeitet Hanks in einem Text etwas von dem Mondfahrt-Wissen, das er aus der Mitwirkung an „Apollo 13“ mitgenommen hat und kennt sich mit Bowling aus. Eine Geschichte beinhaltet einen wirklich fundierten Ratgeber für junge Damen, die am Broadway Karriere machen wollen. Ein Fehler wie „Franz-Josef Haydn“ hätte aber wenigstens bei der Übersetzung beseitigt werden können.

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