Geliebte Stimmen (6): Gert Martienzen

Die besten Vorbilder für Charge und Trickstimme

Zu dieser Serie siehe https://blog.montyarnold.com/2020/12/08/17126/

Gert Martienzen (1918-88) war am Mikrofon, was man am Broadway einen Triple Thread nennen würde: ein Alleskönner. Er beherrschte Synchron, Hörspiel, Trickfilm und Lesung gleichermaßen. Als Schauspieler war er vielleicht ebensogut, doch das kann ich nur vermuten, da er im Synchron so gut zu tun hatte – z.B. als feste Besetzung für Louis de Funès und Frank Sinatra sowie für die meisten Bösewichte in „Mit Schirm, Charme und Melone“ (1966-70) -, dass er sich dem peinlichen Deutschen Film jener Jahre nicht hinhalten musste.
Im Reich der Trickstimme erlebten wir Martienzen regelmäßig als „Mr. Magoo“, eine Rolle, die gemeinsam mit der sie umgebenden Serie „Trickfilmzeit mit Adelheid“ (1974-76) in Vergessenheit geraten ist.
Wie ich heute einschätzen kann, war er viel besser als der Originalsprecher Jim Backus, der sich immer anhörte wie ein Herr im Pullover, der gerade eine Grimasse schneidet. Martienzen klang wirklich wie der kahlköpfige, kurzsichtige Opa, den wir im Bild sahen, wirkte gleichzeitig wie ein Kunstgeschöpf und vollkommen natürlich. (Geht das überhaupt? Nur ganz selten!)
Aber auch technisch war dieser Part verblüffend: die Rolle verleitet wegen ihres hohen Alters dazu, zu krächzen, und das kommt aus zwei Gründen nicht in Frage. Erstens strengt alles, was den Sprecher quält, auch den Hörer an, und zweitens würde sich der Kollege am Mikrofon noch vor der Mittagspause die Stimme ruinieren. (Nebenbei gibt es viele ältere Menschen mit sehr solider, nicht-brüchiger Stimme.) Martienzen verlieh dem greisen Magoo ein unangestrengtes Taschenfalten-Vibrato, eine Technik, die auch Stimmbildner anwenden, um den Frosch aus dem Hals zu vertreiben.
Als ich mit einem meiner Schüler eine Stunde lang Magoo-Übungen machte, war der Gesangslehrer nach mir vollkommen platt von der Leistung des jungen Mannes. So entspannt seien seine Stimmbänder noch nie gewesen.

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