betr.: 117. Geburtstag von Günter Eich
Günter Eich war zwar ein Star der Gruppe 47, aber ein großer Erzähler war bzw. wurde er nicht. Seinen historischen Platz hat er beim Hörspiel der Nachkriegszeit gefunden, als dessen bedeutendster Vertreter er heute nichtsdestoweniger ein völlig unbekannter Name ist.
Mindestens als Lyriker hätte er wirklich etwas mehr Nachruhm verdient.
Diese Zeilen stammen aus seinem – nun ja – berühmtesten Hörspiel „Träume“.
Wacht auf, denn eure Träume sind schlecht!
Bleibt wach, weil das Entsetzliche näher kommt.
Auch zu dir kommt es, der weit entfernt wohnt in den Stätten, wo Blut vergossen wird,
auch zu dir und deinem Nachmittagsschlaf,
worin du ungern gestört wirst.
Wenn es heute nicht kommt, kommt es morgen,
aber sei gewiss.
„Oh, angenehmer Schlaf
auf den Kissen mit roten Blumen,
einem Weihnachtsgeschenk von Anita, woran sie drei Wochen gestrickt hat,
oh angenehmer Schlaf,
wenn der Braten fett war und das Gemüse zart.
Man denkt im Einschlummern an die Wochenschau von gestern abend:
Osterlämmer, erwachende Natur, Eröffnung der Spielbank in Baden-Baden,
Cambridge siegte gegen Oxford mit zweieinhalb Längen, –
das genügt, das Gehirn zu beschäftigen.
Oh, dieses weiche Kissen, Daunen aus erster Wahl!
Auf ihm vergisst man das Ärgerliche der Welt, jene Nachricht zum Beispiel:
Die wegen Abtreibung angeklagte sagte zu ihrer Verteidigung:
Die Frau, Mutter von sieben Kindern, kam zu mir mit einem Säugling,
für den sie keine Windeln hatte und der
in Zeitungspapier gewickelt war.
Nun, das sind Angelegenheiten des Gerichts, nicht unsre.
Man kann nichts dagegen tun, wenn einer etwas härter liegt als der andere,
Und was kommen mag, unsere Enkel mögen es ausfechten.“
„Ah, du schläfst schon? Wache gut auf, mein Freund!
Schon läuft der Strom in den Umzäunungen, und die Posten sind aufgestellt.“
Nein, schlaft nicht, während die Ordner der Welt geschäftig sind!
Seid misstrauisch gegen ihre Macht, die sie vorgeben für euch erwerben zu müssen!
Wacht darüber, dass eure Herzen nicht leer sind, wenn mit der Leere eurer Herzen gerechnet wird!
Tut das Unnütze, singt die Lieder, die man aus eurem Mund nicht erwartet!
Seid unbequem, seid Sand, nicht das Öl im Getriebe der Welt!